Buchbesprechungen
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Pharmazeutische/Medizinische Chemie. Arzneistoffe – von der Struktur zur Wirkung
Prof. Klaus Müller, Dr. Helge Prinz und Prof. Matthias Lehr von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster haben in 1. Aufl. 2022 eine eingehende Darstellung der Pharmazeutischen und Medizinischen Chemie vorgelegt. Das 1 702 Seiten umfassende Werk, aufgeteilt in einen allgemeinen (380 Seiten) und einen speziellen Abschnitt ist in der Wissenschaftlichen Verlagsgesellschaft Stuttgart erschienen. Die Autoren beschreiben in verständlicher Sprache und reich bebildert die chemischen und biochemischen Mechanismen der Wirkung und Nebenwirkung von Arzneistoffen, ihr pharmakokinetisches Verhalten, mögliche Interaktionen, ihre Analytik und die Grundlagen der Entwicklung. Der spezielle Teil informiert ausführlich über alle gängigen auf dem Markt befindlichen chemischen Arzneistoffe, wobei ein jeweils einleitender Überblick über physiologische und pharmakologische Prozesse ein umfassendes Gesamtverständnis ermöglicht.
Die Pharmazeutische/Medizinische Chemie überzeugt durch ihren gewaltigen Umfang und bleibt dabei dank anschaulicher Sprache, zahlloser Grafiken und Zeichnungen, einer Fülle praktischer Beispiele sowie textlich hervorgehobener Definitionen, Erklärungen, Merksätze und Hinweise gut lesbar. Der Leser freut sich über eine in vielen Jahren Vorlesungstätigkeit verfeinerte, lebendige Darstellung komplexer Zusammenhänge, die vor der Erwähnung hilfreicher Eselsbrücken nicht zurückschreckt. Grundkenntnisse der organischen Chemie werden vorausgesetzt, ohne jedoch die vertiefende Erklärung pharmazeutisch relevanter Aspekte zu vernachlässigen. Historische Entwicklungen und anekdotische Erklärungen erleichtern Verständnis und mnestische Einordnung. Die prägnante Beschreibung chemischer Vorgänge in Physiologie, Pharmakodynamik und Pharmakokinetik lässt die Lektüre zu einem Vergnügen werden. Aufgrund seiner Stofffülle ist das Buch als Standardwerk zu betrachten und empfiehlt sich einerseits als vorlesungs- bzw. studienbegleitende Lektüre, andererseits als Nachschlagekompendium für wissenschaftlich engagierte und an den Grundlagen der chemischen Arzneistoffwirkung interessierte Mediziner, Pharmazeuten, Biologen und Chemiker. Nicht nur Studenten, sondern gerade auch in der Mitte der beruflichen Karriere stehende Fachkräfte der Medikamentenentwicklung, -produktion und -vermarktung werden es immer wieder dankbar zur Hand nehmen. Die Darstellung von mehr als 1 200 Arzneistoffen im speziellen Teil hat enzyklopädischen Charakter, bleibt allerdings naturgemäß auf den aktuellen Stand des Wissens beschränkt. Es gelingt den Autoren, entsprechend der therapeutischen Bedeutung einzelner Wirkstoffe den jeweiligen Detaillierungsgrad so anzupassen, dass eine tabellarisch erscheinende Auflistung nicht entsteht. Ein besonderes Kompliment verdient der Verlag für die aufwendige Bebilderung und die grafische Umsetzung der Darstellung molekularer Vorgänge. Einziger Nachteil, der jedoch nicht wirklich als solcher zu bezeichnen ist: Die Autoren verzichten bewusst auf die Beschreibung von Biologicals. Auch wenn die Bedeutung von Arzneimitteln aus biopharmazeutischer Entwicklung stetig zunimmt, würde deren Aufnahme den Rahmen des Werkes sprengen – was den begeisterten Rezensenten der Pharmazeutischen/Medizinischen Chemie auf einen zweiten, den Biologicals gewidmeten Band hoffen lässt.
Fazit: Das schön gestaltete Buch ist uneingeschränkt zu empfehlen. Die aus langjähriger Forschungs- und Lehrtätigkeit hervorgegangene Kompetenz erlaubt den Autoren, komplizierte Mechanismen und Zusammenhänge verständlich werden zu lassen und in einen konkret anwendbaren Kontext zu rücken. Die umfassende und detaillierte Darstellung der chemischen Grundlagen von Arzneistoffwirkungen, die nicht der Kurzlebigkeit neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse unterworfen sind, macht das Buch zu einem unverzichtbaren Begleiter des am Thema Interessierten. Gemessen an der Fülle des Stoffes und der Qualität der Darstellung ist der Preis angemessen bzw. günstig. Die Autoren wenden sich an Studierende, Apotheker, Kliniker und Wissenschaftler. Im Regal eines jeden in der Arzneimittelentwicklung Tätigen sollte das gelungene Werk nicht fehlen.
Alle Aussagen entsprechen der persönlichen Ansicht des Rezensenten.