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Continuous Manufacturing of Pharmaceuticals
Kontinuierliche Fertigung ist ein alter Hut – so könnte man meinen. Ist es auch in fast allen Industriezweigen, nicht aber in der Pharmaindustrie. Diese ist nach wie vor geprägt von der Chargenproduktion nach Forecast und der statistischen Qualitätskontrolle mit nachfolgender Chargenfreigabe. Dieses Konzept hat sich bewährt und funktioniert hervorragend, allerdings nur so lang wie die Chargen ausreichend groß sind, womit eines der drängendsten Probleme der Pharmaindustrie umrissen ist. Die Chargen werden immer kleiner und damit die Produktion durch die Qualitätskontrolle und folgende Freigabe immer teurer, was die Deckungsbeiträge zusammenschmelzen lässt.
Da liegt es nahe, neue Konzepte aus anderen Industrien zu adaptieren. Also weg von der Hochleistungsanlage hin zu kontinuierlicher Fertigung, was leichter gesagt als umgesetzt ist, denn die isolierte Betrachtung einzelner Prozessschritte (Unit Operations) und deren Umwandlung in einen Kontiprozess führen oft nur zu Insellösungen. Vor- und nachgeschaltet finden sich dann entweder weitere kontinuierlich arbeitende Prozessschritte, aber eben auch Einlagerungen von Zwischenprodukten und diskontinuierliche Fertigung von Chargen in Teilschritten.
Dieser Problematik sind sich die Herausgeber und Autoren bewusst und beschreiben deshalb eine Vielzahl pharmazeutischer Operationen (Unit Operations), die jede für sich als kontinuierlicher Prozess umgesetzt werden können. Folgerichtig behandelt ein besonders interessantes Kapitel einen Ansatz zur vollständig durchlaufenden kontinuierlichen Fertigung anhand des Beispiels einer Tablettenproduktion mit Aliskiren als API: „End to End Continuous Manufacturing: Integration of Unit Operations“. In diesem Kapitel werden die Umsetzungsprobleme gut dargestellt und zusammengefasst, aber es zeigt ebenfalls, dass es noch ein sehr langer Weg für die Pharmaindustrie sein wird, eine echte Kontifertigung für unterschiedliche Produkte aufzubauen.
Die Themen regulatorische Anforderungen, Prozesssteuerung, Qualitätssicherung und -kontrolle bis hin zur Freigabe der Produkte (Real Time Release) werden intensiv diskutiert, auch wirtschaftliche Aspekte kommen nicht zu kurz. Somit wird ein sehr breiter Bogen über viele Aspekte der kontinuierlichen Produktion von Arzneimitteln gespannt.
Das Buch gibt Anregungen, Denkanstöße und ruft Aha-Effekte hervor, vieles ist neu und interessant, einiges – wie zu erwarten – sehr abstrakt und oft auch genauso komplex wie das Thema. Patentrezepte zur Einführung der Kontiproduktion werden nicht gegeben. Dies kann aber auch nicht verwundern, wenn die Vielzahl unterschiedlicher Produkte und Prozesse in Betracht gezogen wird.
Was noch intensiver diskutiert werden könnte, ist der Einfluss der personalisierten Medizin auf die Fertigung, die die Pharmaindustrie und die Herstellungsprozesse grundlegend ändern wird. Wie wirkt sich die Chargengröße 1 (Single Piece Flow) eines spezifischen Auftrags (Production on Demand) als typisches Beispiel einer ziehenden Fertigung (Pull Production) auf die Prozesssteuerung, Qualitätskontrolle und Freigabe aus? Wie lassen sich hier Herausforderungen wie Reinigung, Reinigungsvalidierung, Kreuzkontaminationen, Untermischungen bei unterschiedlichen Wirkstoffen wie z. B. patientenspezifische mRNA bewältigen? Hier sind neue Denkansätze nötig, denn sonst gehen die Produktivitätsvorteile verloren. Wie sehen hier Zeithorizonte aus? Wie schnell kann der Patient sein Arzneimittel bekommen? Viele Fragen, deren Beantwortung noch aussteht, aber notwendig ist.
Wer sollte das Buch kaufen? Eigentlich fast jeder, der sich mit Arzneimittelentwicklung und Pharmaproduktion beschäftigt, aber auch Anlagenentwickler, -planer, -bauer und -betreiber sowie Mitarbeiter aus den Bereichen Zulassung, Qualitätskontrolle und insbesondere Qualitätssicherung, Überwachungsbehörden, aber auch Hochschulen, damit diese wichtige Technologie Einzug in die Lehre halten kann. Der Autor ist davon überzeugt, dass das Buch eine weite Verbreitung erfahren wird.