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    Die Weichen für nachhaltigen Wettbewerb auf dem patentfreien Arzneimittelmarkt stellen

    Statements der Verbände

    Bork Bretthauer · Geschäftsführer, Pro Generika e. V.

    Die IGES-Studie (IGES Institut, Berlin) im Auftrag von Pro Generika „Generika in Deutschland: Wettbewerb fördern – Wirtschaftlichkeit stärken“ (2011) hat es aktuell bestätigt: Eine nachhaltige Arzneimittelversorgung in Deutschland ist nur mit Generika möglich.

    Denn obgleich rund 70 % der zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen DDD (Defined Daily Dose) Generika sind, beträgt ihr Umsatzanteil zu Apothekenverkaufspreisen lediglich rund 30 %. Für die Unternehmen ist hingegen der Anteil gemessen am Herstellerabgabepreis von Relevanz: Danach beträgt ihr Umsatzanteil in der GKV nur 22 %, wovon noch die gesetzlichen Herstellerabschläge und die Rabatte aus Rabattverträgen abzuziehen sind.

    Zudem sind seit 2005 die Preise für Generika in Deutschland im Durchschnitt nochmals um rund 20 % gesunken – eine Entwicklung, die die Verbraucher auch auf vielen anderen Gütermärkten sicher sehr zu schätzen wüssten.

    Bork Bretthauer

    Mehr Wettbewerb durch Rabattverträge?

    Das im letzten Jahr in Kraft getretene Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) brachte eine wichtige ordnungspolitische Klarstellung mit sich, nämlich dass das Kartell- und Wettbewerbsrecht auch für die Krankenkassen gilt. Glaubte man einigen von den Krankenkassen im Vorfeld vorgetragenen Argumenten, hätte dies das sichere Aus für die Rabattverträge bedeuten müssen. Dieses Szenario ist jedoch nicht eingetreten. Die Geltung von Kartell- und Wettbewerbsrecht für Krankenkassen hat an der Rabattvertragspraxis im Kern nichts geändert.

    Dennoch wird noch immer behauptet, die Rabattverträge hätten den Wettbewerb im Generikamarkt erst entfacht und das „Ende der Oligopole“ gebracht. Wenn diese Behauptung stimmt, müsste die Marktkonzentration im Rabattvertragsmarkt erheblich geringer sein als in dem Marktsegment ohne Rabattverträge. Denn die Marktkonzentration misst die Verteilung von Umsatzanteilen auf die vorhandenen Unternehmen – je intensiver der Wettbewerb, umso geringer die Marktkonzentration.

    Neben anderen Fragestellungen hat das IGES auch diese Frage wissenschaftlich untersucht. Ergebnis: Im gesamten Rabattvertragsmarkt ist die Marktkonzentration schon sehr hoch, im Bereich der Vergabemodelle, in denen nur ein Unternehmen den exklusiven Zuschlag für einen Wirkstoff erhält, ist sie sogar noch deutlich höher. So hatten die zehn umsatzstärksten Arzneimittelanbieter des Marktes generikafähiger Wirkstoffe mit Rabattvertrag im Jahr 2010 einen Anteil von 75 % am Gesamtumsatz dieses Marktsegments. Dagegen lag der entsprechende Anteil der zehn umsatzstärksten Arzneimittelanbieter im generikafähigen Markt ohne Rabattvertrag bei nur 35 %. In den zurückliegenden Tranchen der AOK-Ausschreibungen wurden jeweils mehr als 75 % des ausgeschriebenen Umsatzes sogar an nur drei bis fünf Anbieter vergeben.

    Wettbewerb entsteht aber auf dem patentfreien Arzneimittelmarkt auf dieselbe Art und Weise wie auf anderen Märkten – nicht durch Rabattverträge. Wettbewerb braucht faire Rahmenbedingungen und möglichst viele Anbieter auf der Unternehmensseite, die das Risiko auf sich nehmen, sich mit ihren Produkten dem Wettbewerb zu stellen.

    Denn auch das hat das IGES für den patentfreien Arzneimittelmarkt nachgewiesen: Je mehr Generikaunternehmen am Markt agieren, umso höher ist die Wettbewerbsintensität und umso rascher sinkt das Preisniveau, was wiederum zu nachhaltigen Einsparungen bei den Arzneimittelausgaben der Krankenkassen führt.

    Eine steigende Marktkonzentration jedoch, wie sie mit den Rabattverträgen messbar einhergeht, untergräbt die Grundlagen des nachhaltigen Wettbewerbs.

    Auswirkungen des AMNOG auf den patentfreien Arzneimittelmarkt

    Tiefgreifend und in den Konsequenzen noch nicht absehbar werden die strukturellen Weichenstellungen des AMNOG auf den patentfreien Arzneimittelmarkt sein. Denn jedes Arzneimittel mit einem neuen Wirkstoff muss nun in Deutschland eine Nutzenbewertung durchlaufen. Wird ihm ein Zusatznutzen attestiert, muss das Pharmaunternehmen mit dem GKV-Spitzenverband einen Erstattungspreis verhandeln. Weist es keinen Zusatznutzen auf, erhält es einen Festbetrag. Sehr viel wird davon abhängen, wie viele Arzneimittel einen Zusatznutzen attestiert bekommen bzw. dem Festbetragssystem zugeordnet werden. In jedem Falle aber nimmt die Bedeutung des Festbetragssystems damit künftig deutlich zu.

    Für forschende Pharmahersteller, die aktuell mit dem Auslaufen des Patentschutzes vieler umsatzstarker Arzneimittel konfrontiert sind, bedeutet die Annahme, dass eine beträchtliche Anzahl neuer Arzneimittel unmittelbar nach der Nutzenbewertung in Festbetragsgruppen eingeordnet werden, einen starken Anreiz, auch nach Patentablauf Preis, Umsatz und Absatz der Altoriginale hoch zu halten. Und paradoxerweise erweist sich der Rabattvertrag hierfür als ein gut geeignetes Instrument. Denn ist ein Altoriginal rabattiert, muss es bevorzugt vom Apotheker abgegeben werden, obgleich sehr preisgünstige Generika verfügbar sind (im Falle des Ende September 2011 aus dem Patent gelaufenen Wirkstoffs Olanzapin sind Generika sogar über 80 % günstiger).

    Entsprechend schließen immer mehr forschende Pharmahersteller unmittelbar vor dem Patentablauf ihrer Arzneimittel Rabattverträge mit Krankenkassen, die weit über den Patentablauf hinausgehen. Das hinterlässt im Wettbewerbsgeschehen bereits sehr deutliche Bremsspuren auf immer mehr patentfrei werdenden Wirkstoffmärkten.

    Die Frage, warum die Krankenkassen solche Verträge schließen, beantwortet sich angesichts eines „Zusatzbeitragsvermeidungswettbewerbs“, dem sie sich ausgesetzt sehen. Folglich setzen die Krankenkassen derzeit vor allem auf kurzfristige Einsparungen. Sie wollen sich auch kleinste Preisnachlässe durch Rabattverträge kurz vor dem Patentablauf nicht entgehen lassen und nehmen dabei in Kauf, bei nach Patentablauf einsetzendem Generikawettbewerb draufzuzahlen. Der gleiche Effekt zeigt sich übrigens bei der Integrierten Versorgung. Die Kassen sehen von Investitionen in sinnvolle Versorgungsverträge ab, da sich diese erst mittelfristig auszahlen und zumindest in der Anlaufphase meist mehr kosten.

    Funktionierender Wettbewerb auf dem patentfreien Arzneimittelmarkt hat klare Indikatoren. Nach Patentablauf kommt es rasch zu einer hohen Marktdurchdringung von Generika, und der Preiswettbewerb intensiviert sich in dem Maße, je mehr Anbieter am Markt sind.

    Doch die Marktentwicklung ist eine entgegengesetzte, wenn ein Erstanbieter einen Rabattvertrag nach Patentablauf besitzt bzw. dieser Rabattvertrag über den Patentablauf hinausgeht. Die Marktdurchdringung von Generika wird dadurch deutlich behindert bzw. verlangsamt, und die Marktkonzentration ist laut IGES-Studie sehr hoch. Zudem kann der Erstanbieter auf Preissenkungen für sein Altoriginal verzichten, da er keinen ökonomischen Druck hat, sich mit den auf den Markt tretenden Generika im Wettbewerb messen zu müssen.

    Weniger Wettbewerb ist das Ergebnis – ausgerechnet durch das Instrument des Rabattvertrags, das doch eigentlich zu mehr Wettbewerb führen sollte.

    Indessen sind bereits auch die Folgen für das gesamte Gesundheitssystem absehbar. So kommt es hierdurch zu höheren Festbeträgen, da diese in Deutschland auf der Basis von Verordnungsmengen und Listenpreisen berechnet werden. Sind der Verordnungsanteil und der Preis eines Altoriginals hoch, fließen diese Parameter in die Festbetragsberechnung ein, was erhöhte Festbeträge zur Folge hat.

    Manche Krankenkassen meinen also im Prinzip kurzfristige Einsparungen, wenn sie diese Praxis „Wettbewerb“ nennen. Pro Generika tritt demgegenüber für nachhaltigen Wettbewerb und faire Spielregeln für alle Marktteilnehmer ein. Denn nur wenn der Wettbewerb funktioniert und es keine Wettbewerbshürden gibt, wird es auch nachhaltige Einsparungen geben.

    Für eine ordnungspolitische Weichenstellung und mehr Wettbewerb auf dem patentfreien Arzneimittelmarkt

    Pro Generika plädiert daher für eine ordnungspolitische Weichenstellung und eine Stärkung des Wettbewerbs auf dem patentfreien Arzneimittelmarkt. Rabattverträge über patentgeschützte Arzneimittel sind gesundheitspolitisch gewollt. Da sie aber nach Patentablauf den Generikawettbewerb nachweislich behindern, muss eine saubere Regelung getroffen werden, wonach Rabattverträge nach Patentablauf nicht zu Wettbewerbsbehinderungen führen. Dies wird nur gelingen, wenn es mit dem Patentablauf eine „Stunde Null“ gibt und anschließend eine Phase intensiven Wettbewerbs, in der gleiche und faire Spielregeln für alle Marktteilnehmer gelten.

    Originaldokument