Statements der Verbände
Birgit Fischer |
Medizinischer Fortschritt braucht eine Gesundheitsallianz
Man muss kein Prophet sein, um zu prognostizieren, dass auch das Jahr 2016 wieder ein debattenreiches Jahr sein wird. Schon zum Jahreswechsel hat die Diskussion um die Zusatzbeiträge der GKV eine erhebliche Dynamik gewonnen. Im Vorfeld von sechs Landtagswahlen versuchen die großen Parteien früh, erste Pflöcke in der Gesundheitspolitik einzurammen.
Der Arzneimittelsektor wird auch in diesem Jahr nach wie vor über die Nachwirkungen des AMNOG debattieren.
Schwerpunkt im ersten Halbjahr wird allerdings der Pharma-Dialog sein. Schließlich hatte die Regierungskoalition den Pharma-Dialog ins Leben gerufen, um den Arzneimittelsektor in umfassenderer Perspektive zu betrachten. In bisher drei Sitzungen haben sich die Ministerien für Gesundheit, Forschung und Wirtschaft gemeinsam mit den Pharmaverbänden, der Wissenschaft und der IG BCE getroffen. Es sollten Perspektiven ausgelotet werden, was unsere Industrie zu Deutschlands Gesundheit beitragen kann und welche Kooperationen und Abstimmungen mit den Ministerien Wirtschaft, Wissenschaft und Gesundheit erfolgen müssen, um praktischen Nutzen daraus für die Patientenversorgung zu ziehen.
Dabei gibt es noch eine Menge zu tun. Denn das wichtigste Pharmagesetz der letzten Jahre, das AMNOG, hat nach wie vor erhebliche Unwuchten, die die ursprünglich intendierte Absicht des Gesetzes konterkarieren: Innovationen schnell und umfassend zu den Patientinnen und Patienten zu bringen, die von ihnen profitieren.
NUTZEN wurde großgeschrieben. Doch hat sich in den letzten Jahren die Anwendung des AMNOG immer mehr auf das Sparen und weniger auf den Nutzen für Patienten konzentriert.
Schnelle Lösungen für Probleme, die in der Praxis sichtbar wurden, wären wünschenswert gewesen. Doch die Geschwindigkeit, um gesetzliche Lösungen anzugehen, war gering. Zwar hat die Politik das AMNOG als lernendes System beschrieben. Doch in der Praxis hat sie leider selten darauf Bezug genommen, um auf Probleme rechtzeitig zu reagieren.
Auch wenn viele Menschen betroffen sind – bei Volkskrankheiten – funktioniert das AMNOG oft besonders schlecht. Im Fazit stehen den Patienten in Deutschland bisher 20 zugelassene Arzneimittel nicht zur Verfügung. Patienten wird eine für sie geeignete Behandlung vorenthalten. Selbst bei Arzneimitteln, denen im AMNOG-Verfahren ein Zusatznutzen bestätigt wurde, ist die versorgte Patientengruppe klein. Sie ist zumindest viel kleiner als die ermittelte Gruppe von Patienten, für die es einen Mehrnutzen bei der Verordnung dieses Arzneimittels geben könnte.
Das liegt an einer Verunsicherung der Ärzte im Umgang mit Innovationen und an den sich widersprechenden Regulierungen und Vorgaben auf der Ebene des Bundes und der Länder. Zudem reagieren Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen mit Verschreibungshinweisen für Ärzte, die oft im Widerspruch zu den Bewertungen des AMNOG stehen. Hier kollidieren verschiedene Regelungsebenen und -instrumente zum Schaden des Patienten.
Dies zu ändern, ist auch 2016 ein vordringliches Anliegen. Helfen kann dabei eine tragfähige Gesundheitsallianz, gemeinsame Zielsetzungen und konsistente Regeln, die darauf abzielen, die Versorgung der Patienten in Deutschland zu verbessern.
Patienten und unsere Gesellschaft brauchen den medizinischen Fortschritt. Forschende Pharmaunternehmen werden dazu einen maßgeblichen Beitrag leisten können. Allein 2015 haben 36 neue Medikamente mit neuen Wirkstoffen in Deutschland einen Beitrag geleistet, um Versorgung und Gesundheit zu verbessern.
Für viele Patientinnen und Patienten war 2015 ein gutes Jahr, weil sich die Chancen auf Minderung Ihrer Leiden und Besserung ihrer Lebensqualität erhöht haben.
So wurden z. B. die Möglichkeiten erweitert, das körpereigene Immunsystem gegen mehrere Arten von Krebs zu aktivieren. Für einige Patienten, denen Herzinfarkte oder Schlaganfälle drohen, bieten neue Cholesterinsenker eine gute Möglichkeit, die Risiken zu reduzieren.
Neue Therapiemöglichkeiten müssen ohne Restriktionen in der Patientenversorgung genutzt werden können. Zugleich brauchen Unternehmen den Marktzugang und Einnahmen, die es möglich machen, in die neue Forschung für Innovationen der nächsten Generation zu investieren. Für diese Wertschöpfungskette und den nachhaltigen Nutzen für Patienten und ihre Gesundheit ist eine ganzheitliche Betrachtung des Innovationskreislaufs mit seinen medizinischen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Aspekten unverzichtbar. Der Pharma-Dialog mit der Bundesregierung kann einen großen Beitrag leisten, die Voraussetzungen für eine gute Gesundheit in Deutschland zu schaffen.