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    Herausforderungen und Erwartungen aus Sicht des vfa

    Statements der Verbände

    Han Steutel · Hauptgeschäftsführer des vfa – Die forschenden Pharmaunternehmen
    Han Steutel

    Nutzen für Patienten und Volkswirtschaft

    Der medizinische Fortschritt der letzten Jahrzehnte hat positive Spuren hinterlassen. Und die forschenden Pharmaunternehmen waren dabei durch die Entwicklung innovativer Medikamente einer der wichtigsten Treiber. Nehmen wir z. B. Krebserkrankungen: Noch vor 30, 40 Jahren war die Diagnose Krebs in den allermeisten Fällen ein Todesurteil. Nur sehr wenige Therapien mit schweren Nebenwirkungen standen zur Verfügung. Und die wenigen, die den Krebs besiegen konnten, waren danach selten in der Lage, ins Berufsleben zurück zu kehren. Heute können wir sehr viele Krebserkrankungen sehr erfolgreich behandeln. Und von denen, die ihre Krebserkrankung überstanden haben, kehren zwei Drittel ins Berufsleben zurück. Dies ist nur ein Beispiel, das belegt, dass wir mit der erfolgreichen Behandlung von schweren und tödlichen Krankheiten nicht nur den einzelnen Patienten helfen – sondern auch der Gesellschaft und der Volkswirtschaft. Damit tragen die forschenden Pharmaunternehmen zur Bewahrung unseres Wohlstands bei. Der Wohlstand Deutschlands gründet in erster Linie auf den Innovationen der Industrie. Wir haben in Deutschland keine bedeutenden Bodenschätze. Deshalb müssen wir auch in Zukunft dafür sorgen, dass wir bei der Entwicklung von Technologien an der Weltspitze sind.

    Herausforderungen für die Arzneimittelentwicklung

    Deutschlands Stärke waren bislang v. a. die exzellenten Rahmenbedingungen: Kliniken, Wissenschaftler und Ärzte, die zu den besten weltweit gehörten. Und ein Gesundheitssystem, das dafür sorgte, dass neue Medikamente nach der Zulassung ohne Verzögerung in die Versorgung der Patienten gelangten. Auch für ausländische Pharmakonzerne war dies immer eine große Motivation, Studien in Deutschland durchführen zu lassen. Patienten profitierten davon und das deutsche Gesundheitssystem wurde weltweit als Benchmark betrachtet.

    Mittlerweile haben andere Länder aufgeschlossen, Großbritannien hat Deutschland bei der Anzahl klinischer Studien überholt. Weil die regulatorischen Herausforderungen in Deutschland gewachsen sind; weil Gesundheitsdaten, die eine innovative Industrie braucht, nicht geteilt werden sollen; weil der schnelle und umfassende Zugang zu Innovationen von einigen Akteuren kritisch gesehen wird. Deutschland ist nach wie vor ein starker Gesundheitsstandort mit einer exzellenten industriellen und wissenschaftlichen Expertise. Wir sollten alles daransetzen, diese zu erhalten. Und wir sollten noch mehr daransetzen, diese weiter zu verbessern.

    Europa und Erwartungen an die deutsche Ratspräsidentschaft 2020

    Das Zusammenwachsen der Länder Europas ist trotz mancher Rückschläge – Stichwort Brexit – bisher eine Erfolgsgeschichte: Gemeinsame Standards bei Zulassung, Qualität und Sicherheit der Produkte, gleiche oder ähnliche Rahmenbedingungen für Beschäftigung, ambitionierte europäische Forschungsinitiativen und freier Handel ohne Zollgrenzen oder ähnliche Barrieren haben viel für die Menschen in Europa und seine Wirtschaftsstärke erreicht. Für die Zukunft brauchen wir im globalen Wettbewerb ein noch stärkeres Europa, wenn wir diesen Erfolgsweg fortsetzen wollen.

    Die deutsche Ratspräsidentschaft im kommenden Jahr ist eine gute Gelegenheit, hier starke Impulse zu setzen. Die Bundesregierung sollte also die Bedeutung der pharmazeutischen Industrie für den Wissenschaftsstandort und die Volkswirtschaft betonen sowie für den Erhalt in Europa werben. Neben dem Binnenmarkt ist der Ausbau der gemeinsamen regulatorischen Verfahren in einem verlässlichen europäischen Rahmen dabei ein wichtiger Baustein. Ein verbindlicher europäischer Health-Technology-Assessment(HTA)-Prozess steht ja bereits auf der Agenda – und sollte von der Bundesregierung konsequent vorangebracht werden. Auch im Bereich der Digitalisierung des Gesundheitswesens und bei Forschungsschwerpunkten bietet eine Harmonisierung von Verfahren und Prozessen eine Reihe neuer Möglichkeiten, etwa in der Krebsbekämpfung. Und schließlich müssen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass der Zugang zu therapeutischen Innovationen in allen Mitgliedsländern verbessert wird: Das „Gelingen Europas“ hängt auch von der Akzeptanz in den einzelnen Staaten ab und eine gleichwertige Gesundheitsversorgung ist ein bedeutender Baustein.

    Medizinische Daten sind der Rohstoff für Innovationen – nutzen wir die Chancen!

    Als wissenschaftsgetriebene Branche sind die forschenden Pharmaunternehmen von der Menge und Qualität der Forschungsdaten abhängig. Je mehr wir wissen, desto besser können wir forschen. Diese Daten werden bereits erhoben: Tag für Tag – in vielen Ländern und von vielen Unternehmen. Auf mittlere Sicht werden diese Daten dazu dienen, schwere Krankheiten wie etwa Krebs und Alzheimer besser zu verstehen und deshalb neue Ansätze zu entwickeln, damit wir die Krankheiten vielleicht sogar in Zukunft heilen können. Wer diesen Datenschatz nutzen kann, hat wissenschaftliche und letztlich natürlich wirtschaftliche Vorteile. Standorte, an denen sich diese Daten gewinnen lassen, sind deshalb gefragt. Deutschland besitzt einen solchen Datenschatz – oder genauer: In Deutschland gibt es viele Datenschätze, die gemeinsam genutzt noch bessere Erkenntnisse für die medizinische Forschung liefern können.

    Aber: Wenn man die Daten nicht denen zur Verfügung stellt, die daraus bessere Produkte für Patienten entwickeln können, haben diese Daten aus Deutschland keinen Wert für die Unternehmen. Und Deutschland verpasst die Chance, aus diesen Daten – dem „Rohstoff für Innovationen“ – Mehrwert für seine Volkswirtschaft zu schaffen.

    Aktuelle Herausforderungen

    Die in den USA geführte Debatte über die faire Verteilung der globalen Arzneimittelausgaben ist ein Beleg dafür, dass unsere Komfortzone der transatlantischen Partnerschaft etwas ungemütlicher geworden ist: politisch und wirtschaftlich. In den USA erwartet man, dass zukünftig amerikanische Patienten weniger – und dafür etwa europäische Patienten mehr – für neue Medikamente zahlen müssen. Darauf müssen wir uns einstellen. Allerdings zeigt ein Blick auf die Arzneimittelausgaben der letzten Jahre, dass die Ausgaben im deutschen Gesundheitssystem unter Kontrolle sind.

    Betrachtet man den Mehrwert, den die neuen Medikamente im deutschen Gesundheitssystem leisten, kommt man in einer nüchternen Kosten-Nutzen-Analyse zum Schluss, dass Investitionen in Innovationen nicht nur den einzelnen Patienten – sondern auch der Gesellschaft und der Volkswirtschaft nutzen. Vor diesem Hintergrund erweisen sich Befürchtungen, dass neue Therapien Deutschland ökonomisch überfordern könnten, als unbegründet. Der Durchschnittswert für Ausgabenzuwächse bei Arzneimitteln in den letzten zehn Jahren (3,1 %) spricht gegen diese Befürchtungen.

    Dennoch gibt es Herausforderungen, bei denen die Akteure im Gesundheitswesen gemeinsam nach Lösungen suchen müssen, etwa bei der Finanzierung der Arzneimittel für neuartige Therapien, für die die Kliniken in Deutschland eine schnelle Erstattung benötigen. Zu einer fairen Diskussion über Kosten gehört eben auch eine faire Diskussion über Nutzen. Mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) hat die Politik uns das Versprechen gegeben, dass Innovationen für Patienten profitieren würden.

    Es wäre schön, wenn dieses Versprechen konsequent eingelöst würde und bei der frühen Nutzenbewertung Studien nicht wegen angeblich mangelnder Evidenz ignoriert würden.

    Originaldokument