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    Nachhaltige Entscheidungen zum Wohle der Patienten treffen

    Statements der Verbände

    Dr. Hubertus Cranz · Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller e. V. (BAH)
    Dr. Hubertus Cranz

    Das, was wir heute tun, entscheidet bekanntlich darüber, wie die Welt von morgen aussieht. Dieser Tatbestand scheint heute allerdings mehr in das allgemeine Bewusstsein gerückt zu sein, als es noch vor wenigen Jahren erwartet wurde. Somit wird nachhaltigen Entscheidungen zur Absicherung unserer Zukunft eine große Bedeutung beigemessen. Dies spiegelt sich auch in den Prioritäten des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller e. V. (BAH) wider. In einem sensibilisierten Umfeld wird das Thema Nachhaltigkeit in der Arzneimittelindustrie einen wichtigen Raum in der Verbandsarbeit einnehmen – einerseits indem wir darauf aufmerksam machen, was die Unternehmen bereits beim Klima- und Naturschutz leisten. Andererseits bietet die Verbandsarbeit den Unternehmen eine Plattform zum Erfahrungsaustausch. Relevante nationale und internationale Diskussionen zum Thema Umwelt und Arzneimittel sowie übergreifende Formate wie den Spurenstoffdialog werden wir weiterhin konstruktiv begleiten.

    Digitalisierung: Konsequenzen mitdenken

    Mit Weitsicht muss auch die digitale Zukunft gestaltet werden, damit erfolgreiche Strukturen erhalten bleiben. Daher gilt es, von Anfang an mögliche Auswirkungen im Blick zu haben und bei Bedarf gegenzusteuern, damit später nicht wesentliche Versorgungsangebote für Patienten auf der Strecke bleiben. So ist z. B. das elektronische Rezept der nächste Meilenstein der Digitalisierung. Das E-Rezept kann erhebliche Auswirkungen auf die Apothekenstruktur und die Arzneimittelversorgung insgesamt haben, je nachdem, wie es konkret ausgestaltet wird. Darüber waren sich die Teilnehmer unserer Veranstaltung im Nov. einig. Wichtig ist, dass der Patient auch weiterhin frei darüber entscheiden kann, aus welchen Quellen er seine Arzneimittel bezieht, und dass von Anfang an auch privatärztliche Verordnungen sowie das Grüne Rezept berücksichtigt werden.

    Gesetzesvorhaben: Auswirkungen auf die Versorgung

    Die gesundheitspolitische Diskussion wird auch 2020 durch die vielen Gesetzesvorhaben von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sowie durch die Umsetzung bereits verabschiedeter Rechtswerke bestimmt werden. Das im Sommer 2019 in Kraft getretene Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) hat neben sinnvollen Maßnahmen wie der Stärkung der Bundesoberbehörden leider wichtige Vorschläge der Bundesländer nicht berücksichtigt. Ein Beispiel hierfür ist das erweiterte Preismoratorium, das insbesondere für mittelständische Unternehmen ein echtes Innovationshemmnis darstellt. Außerdem wurde die Chance vertan, die Importförderklausel komplett abzuschaffen. Hier fehlte die letzte Konsequenz, um die Sicherheit der Arzneimittelversorgung wirklich nachhaltig zu verbessern.

    Konsequent hat der Gesetzgeber hingegen im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) Ideen zur Verbesserung der Versorgung aufgegriffen, die der BAH schon zu einem frühen Zeitpunkt formuliert hatte. Einerseits sind es die vielfältigen Bemühungen um die Erhöhung der Impfquoten. Andererseits ist es die Entscheidung, dass Vertragsärzte Verschreibungen für eine sich wiederholende Abgabe ausstellen dürfen. Das ist eine spürbare Entlastung für chronisch kranke Menschen, die nicht mehr für jede erneute Ausstellung eines Rezepts zum Arzt müssen. Gleichzeitig soll die Apotheke vor Ort mehr Kompetenzen erhalten und dadurch in ihrer Bedeutung für die Arzneimittelversorgung aufgewertet werden. Dies sind sinnvolle Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgung der Patienten.

    Vor-Ort-Apotheken: Versorgung sichern

    Und so werden wir im neuen Jahr beobachten, wie es mit dem Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz weitergehen wird. Dabei begrüßen wir ausdrücklich die Absicht des Gesetzgebers, durch die Stärkung der Vor-Ort-Apotheken nachhaltig für eine flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sowohl im ländlichen Raum als auch in den Städten Sorge zu tragen. Denn hier müssen die bewährten Strukturen erhalten bleiben. Wir engagieren uns dafür, dass aus Sicht des Patienten der Versorgungsauftrag der Apotheken ganzheitlich ist und bleibt. Das heißt, dass der Patient in der Apotheke gleichermaßen rezeptfreie wie auch rezeptpflichtige Arzneimittel im Rahmen einer heilberuflichen Beratung erhält. Dazu gehört selbstverständlich auch, dass Over-the-Counter(OTC)-Arzneimittel ebenso wie rezeptpflichtige Arzneimittel bei den geplanten Dienstleistungen der Apotheker berücksichtigt werden. In den Umfragen des BAH-Gesundheitsmonitors sind die Apotheker übrigens fast immer die Gesundheitsdienstleister, die am besten abschneiden, wenn es darum geht, wem die Menschen am meisten vertrauen.

    Antibiotika: Rahmenbedingungen verbessern

    Auch das geplante Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz (GKV-FKG) wird uns 2020 weiterhin beschäftigen. Darin wird erfreulicherweise das Thema Antibiotikaforschung und -resistenzen diskutiert. Zu diesem Thema hatte der BAH Ende 2019 eine große Veranstaltung mit Vertretern maßgeblicher Institutionen organisiert. Und gerade hier sind nachhaltige Entscheidungen für die Zukunft essenziell. Für Reserveantibiotika soll künftig schon die Zulassung als Beleg für einen Zusatznutzen genügen. Das ist sinnvoll, denn um der Ausbreitung von Resistenzen entgegenzusteuern, müssen neue Antibiotika erforscht und gleichzeitig die bereits zugelassenen Präparate weiter verfügbar gehalten werden. Weltweit sind in den letzten Jahrzehnten nur wenige Antibiotika aus neuen Wirkstoffklassen entwickelt und zugelassen worden. Das liegt u. a. an hohen Entwicklungskosten und zu geringen Erträgen, weil innovative Antibiotika meist nur als Reserve zum Einsatz kommen.

    Lieferengpässe: nachhaltige Ansätze zur Vermeidung verfolgen

    Ebenfalls wichtiger Bestandteil des geplanten GKV-FKG und mittlerweile auch ein Thema auf europäischer Ebene sind Lösungsvorschläge zur Vermeidung von Lieferengpässen von Arzneimitteln. Diese müssen durchdacht sein und nachhaltig wirken. Sinnvoller als eine Anordnung zusätzlicher Lagerhaltung wären neue verbindliche Regelungen für Rabattverträge: Dürften Krankenkassen solche Verträge künftig nur noch mit mindestens 3 Partnern von Herstellerseite abschließen und nähme man zudem versorgungskritische Wirkstoffe generell vom Rabattvertragssystem aus, würde sich voraussichtlich die Situation dauerhaft verbessern lassen. Wichtig wäre es außerdem, über entsprechende Anreize die Produktion von Arzneimitteln – idealerweise in Europa – zu stärken.

    Europa: Chancen nutzen

    In der zweiten Jahreshälfte 2020 wird Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen. Dies eröffnet die Chance, bei dem schwierigen Thema einer europäischen Nutzenbewertung eine ausgewogene Lösung zu finden, die einerseits nationale Kompetenzen dort, wo sinnvoll, beibehält, aber andererseits unnötige Doppelarbeit pharmazeutischer Unternehmen vermeidet. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass eine mögliche Revision der europäischen Arzneimittelgesetzgebung, die aus unterschiedlichen Gründen von recht unterschiedlichen Organisationen diskutiert wird, nicht zielführend ist. Viel wichtiger sind eine pragmatische Anwendung des bestehenden Regelwerks für Arzneimittel und eine Weiterentwicklung des Systems der Variationen. Dabei sollten administrative Arbeiten im Einklang mit den Arbeiten der Regulatory Optimisation Group wo immer möglich minimiert werden.

    Eine wesentliche Veränderung in der Europäischen Union ergibt sich am 31.01.2020, wenn das Vereinigte Königreich aus der EU ausscheidet. Mit viel Kompetenz und auch viel Mühe verfolgt der BAH seit 2016 das Thema Brexit. Er hatte durch eine Vielzahl von Informationsangeboten die deutschen Hersteller auf die Konsequenzen vorbereitet. Es bleibt zu hoffen, dass eine neue Handelsbeziehung etabliert werden kann, welche die Bedürfnisse der Patienten berücksichtigt.

    Abschließend ein Ausblick in eigener Sache: Die gesundheitspolitischen und wirtschaftlichen Herausforderungen wachsen national und international. Daher planen die Verbände BAH und Bundeverband der Pharmazeutischen Industrie e. V. (BPI) 2020 eine Verschmelzung. Mit der Bündelung der Leistungen stünde den Mitgliedsunternehmen eine Interessenvertretung zur Verfügung, die breit in die politische Diskussion eintreten und den Anliegen der Arzneimittelherstellern eine noch stärkere und nachhaltige Stimme im Sinne der Patientenversorgung geben kann. Denn was wir heute tun, entscheidet darüber, wie die Welt von morgen aussieht.

    Originaldokument