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    Nein des Ständerats besiegelt endgültiges Aus für Referenzpreissystem

    Statements der Verbände

    Dr. Axel Müller · Geschäftsführer Intergenerika
    Dr. Axel Müller

    Im Jahr 2021 ging der Diskurs über eine Einführung eines umstrittenen Referenzpreissystems (RPS) bei Generika in die letzte Runde. Der Plan des Bundesrats, zur Senkung der Arzneimittelkosten ein Referenzpreissystem für Generika einzuführen und damit Einsparungen in Höhe von 310–480 Mio. CHF zu realisieren, stieß von Anfang an auf heftigen Widerstand seitens führender Akteure des Gesundheitssystems. Ihre zentralen Argumente waren die Gefährdung der Versorgungs- und Patientensicherheit. Als Antwort darauf haben Vertreter der Generikaindustrie, der Vereinigung der Apotheker und Ärzte sowie Curafutura, die Vereinigung führender Krankenversicherer, ein alternatives Einsparprogramm vorgeschlagen, welches mindestens 270 Mio. CHF erzielen kann und was ohne Gesetzesänderung sofort auf dem Verordnungswege realisiert werden könnte. Der Nationalrat hat im Okt. 2020 die Vorlage des Bundesrats mit großer Mehrheit abgelehnt und das alternative Programm genehmigt. Im Okt. 2021 hat sich die Gesundheitskommission des Ständerats ebenfalls der Vorlage des Bundesrats angenommen und diese mit 7 zu 4 Stimmen bei einer Enthaltung abgelehnt. Als letzte Instanz sprach sich schließlich der Ständerat am 9. Dez. gegen die Vorlage aus und besiegelte damit das endgültige Aus für ein Referenzpreissystem für Generika.

    Neueste Untersuchungsergebnisse sprechen gegen Referenzpreissystem

    Aufschlussreich waren neueste Untersuchungsergebnisse der Firmen Polynomics, IQVIA (ehemals IMS Health), den Gesundheitsexperten May und Bauer (Deutschland) sowie von bwa consulting, Bern. Gemäß aktuellen Berechnungen von IQVIA beläuft sich das kurzfristige maximale Einsparpotenzial des vom Bundesrat vorgeschlagenen Referenzpreismodells bei patentabgelaufenen Medikamenten (Originale und Generika) auf nur rund 224 Mio. CHF, wohingegen das ursprüngliche Einsparpotenzial vom Bundesrat 2018 auf 310–480 Mio. CHF angegeben wurde. Wenn man sich den Schweizer Markt noch genauer anschaut, fällt auf, dass das von einem Referenzpreissystem betroffene Marktvolumen lediglich 736 Mio. CHF betragen könnte. Bei der Kalkulation würden nämlich bei Anwendung des vorgesehenen Referenzpreissystems u. a. Produkte ausgenommen werden, wie z. B. Medikamente, die auf der Liste der lebensnotwendigen Medikamente stehen, wie auch Produkte mit nur 2 Anbietern im Markt. Bei dem somit verbleibenden Markt von rund 736 Mio. CHF müsste man sehr große Abschläge vornehmen, um in die Nähe des vom Bundesrat erwünschten Einsparvolumens von 310–480 Mio. CHF zu kommen. Bei dieser Größenordnung ist absehbar, dass dies der Schweizer Generikamarkt wohl kaum überleben dürfte. Der betreffende Markt im Wert von 736 Mio. CHF besteht aus 28 Mio. Einheiten, wovon 27 Mio. Einheiten in der Preisklasse unter 100 CHF liegen. Da diese Medikamente essenziell für die Grundversorgung sind, wäre dieses Segment von einem Referenzpreissystem besonders negativ betroffen. Polynomics führt hierzu aus: „In der Zwischenzeit wurden von den Akteuren des Gesundheitswesens und vom Parlament Vorschläge ausgearbeitet, die ähnliche Ziele wie das Referenzpreissystem verfolgen, und die wir ebenfalls als alternative Regulierungen in der Regulierungsfolgenabschätzungg (RFA) vorgeschlagen hatten. Konkret soll der Preisabstand der Generika gegenüber Originalpräparaten erhöht, die Fehlanreize aufgrund preisunabhängiger Vertriebsmargen eliminiert werden. Diese Massnahmen sind auf Verordnungsstufe umsetzbar und sollten gemäß Berechnungen des Bundesamts für Gesundheit (BAG) zu ähnlichen Einsparungen wie das RPS führen.“

    Alternativmodell mit unterschätztem Einsparpotenzial

    Intergenerika hat konservativ ein Sparpotenzial in ihrem Alternativmodell von 270 Mio. CHF errechnet. IQVIA hält das Einsparpotenzial bei Anwendung des vom Bundesrat vorgeschlagenen Referenzpreissystems nur dann für möglich, sollten

    • 1) alle Anbieter ihren Fabrikabgabepreis auf den Referenzpreis senken,

    • 2) sowie in der Gruppe von mehr als 3 Anbietern des gleichen Wirkstoffs ihre Preise um 30 % zusätzlich senken.

    Bei einer solch drastischen Reduktion der Fabrikabgabepreise um 30 % ist es sehr wahrscheinlich, dass Anbieter sich ganz aus dem Markt verabschieden werden bzw. diese Produkte nicht mehr vertreiben würden. Ein anderes Szenario besteht darin, dass die Patienten in der Apotheke 96–176 Mio. CHF an Zuzahlungen leisten müssten. Des Weiteren hat IQVIA erstmals festgestellt, dass viele patentabgelaufene Medikamente, die immerhin 25 % des gesamten Marktvolumens ausmachen, günstiger sind als in den 9 Referenzländern. Auch stellte sich heraus, dass viele lebensnotwendige Produkte, insbesondere Medikamente mit kleinen Stückzahlen, mit z. T. sehr hohen Preissenkungen rechnen müssten und dass dadurch die Versorgungssicherheit in der Schweiz aufgrund von Marktrückzügen massiv gefährdet würde. Deshalb spricht sich Polynomics für den Vorschlag des Nationalrats aus: „Erwähnenswert erscheint uns der einfachere und kostengünstigere Vollzug sowie der geringere negative Effekt auf die Versorgungs- und Patientensicherheit, auf die wir bereits in der RFA hingewiesen hatten.“ Auch die auf Studien spezialisierte bwa consulting, Bern beurteilt ein Referenzpreissystem als äußerst kritisch: „Laut BAG soll das Referenzpreissystems auf die spezifischen Verhältnisse des Schweizerischen Gesundheitssystems angepasst worden sein. Und damit verfügt es zwar über ein gewisses Alleinstellungspotenzial, kann aber bzgl. Leistungsfähigkeit auf kein etabliertes System im Ausland rekurrieren. Im internationalen Kontext würde die Schweiz mit der hier vorgestellten Konzeption also ziemlich isoliert dastehen. Generell gilt ein Referenzpreissystem nur dann als nachhaltig und sozial verträglich, wenn das maximale Erstattungsniveau in den betroffenen Indikationsgebieten so festgelegt wird, dass der Zugang für alle Patienten und unabhängig ihrer finanziellen Möglichkeiten gewährt bleibt. Das heißt, dass in jedem Fall mindestens eine Therapiealternative ohne Zuzahlung zur Verfügung stehen sollte. Das vermag das Schweizer Referenzpreismodell nicht zu leisten, da Handling und Feintuning nur schwer die konkrete Behandlungskonstellation genügend antizipieren können.“

    Deutschland: negative Auswirkungen auf Patienten und Markt

    Frappant sind die Erkenntnisse mit einem Referenzpreissystem aus Deutschland, welches dort unter dem Begriff Festbetragssystem bereits 1988 eingeführt wurde. Parallel wurde ein weiteres Regulierungssystem, das Rabattvertragssystem, eingeführt. Beide Systeme führen zu einer rigiden Preisregulierung. Gemäß May und Bauer stellt sich die Situation wie folgt dar: „Unverkennbar ist, dass es unter Einfluss einer rigiden Preisregulierung zu einer rückläufigen Anbieterzahl wie Konzentrationstendenzen kommt. Letztere könnten langfristig auch zu einer Oligopolisierung oder sogar Monopolisierung bestimmter Marktsegmente beitragen. Auch die Verschiebung von Marktanteilen inländischer Anbieter zu Generikaanbietern im außereuropäischen Ausland wird dadurch begünstigt. Dies hat inzwischen in Deutschland und auch europäischer Ebene politische Bestrebungen auf den Plan gerufen, um dieser Tendenz entgegenzuwirken.“ „Preisregulierungen generischer Arzneimittel in Verbindung mit daran anknüpfenden Erstattungsregelungen der Krankenversicherungen haben einen mittelbaren oder unmittelbaren Einfluss auf das Verordnungsverhalten der Ärzte. Es können sich somit – abhängig vom konkreten Maß des regulierenden Eingriffs – im Markt Konstellationen ergeben, die nicht auf medizinischen Gründen beruhen. Für die Mehrheit der Patienten hat ein solcher Wechsel i. d. R. keine negativen Folgen. Für andere betroffene Patienten hat dieser medizinisch nicht notwendige Wechsel jedoch u. U. schwerwiegende Konsequenzen. Ein Studienprojekt der Hochschule Fresenius liefert in diesem Kontext zusätzliche Aspekte, die auf einen negativen Einfluss preisbedingter Therapiewechsel (hier aufgrund von Rabattverträgen) auf die Patientenversorgung und einen Zusammenhang zwischen Krankenhauseinweisungen und Medikamentenumstellung durch Rabattverträge bei Depressionspatienten hinweist.“

    Fazit: Mit der Ablehnung des Referenzpreissystems hat sich der Einsatz für das Wohl aller Patienten gegenüber willkürlichen Sparmaßnahmen behauptet.

    Originaldokument