Vertragshandbuch Pharma und Life Sciences
Buchbesprechungen
Die Qualität eines Vertragshandbuches bemisst sich nach der Brauchbarkeit der darin enthaltenen Vertragsmuster. Zwar kann niemand erwarten, in einem Vertragshandbuch genau den Vertrag zu finden, der auf den besonderen Fall passt. Er sollte aber ein Muster finden, dass sich dahin entwickeln lässt. Dafür bedarf es eines fundierten Verständnisses der vorgeschlagenen Formulierungen, für welches die Kommentierungen der Vertragsmuster essenziell sind. So gesehen ist die Qualität des Vertragshandbuchs Pharma und Life Sciences von Stief und Bromm hervorragend geeignet, um daraus Vertragsentwürfe für die besonderen eigenen Bedürfnisse abzuleiten. Allerdings erfordert dieser Prozess, wie noch zu zeigen ist, einigen Suchaufwand.
Das Vertragshandbuch Pharma und Life Sciences enthält neben einem allgemeinen Teil mit Vertragsgrundmuster (S. 1 ff.) Studien-, Forschungs- und Entwicklungsverträge mit Nebenvereinbarungen wie einem Lizenzvertrag (Kap. 1, S. 93 ff.), besondere Studien- und Produktprüfungsverträge (Kap. 2, S. 203 ff.), insbesondere zur klinischen Prüfung (Kap. 2 III-VI, S. 232-308), Zuwendungen an Fachkreisangehörige und medizinische Einrichtungen (Kap. 3, S. 315 ff.), Compliance, Asset-Kauf und Lizenzerwerb (Kap. 4, S. 377 ff.), Lohnherstellung Global Procurement, Einkaufsbedingungen (Kap. 5, S. 601 ff.), Vertriebskartellrecht, Vertrieb, Lieferverträge (Kap. 6, S. 683 ff.), Ausschreibungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung (Kap. 7, S. 831 ff.), Kassenverträge (Kap. 8, S. 867 ff.), vertragliche Regelungen bei Unternehmenskäufen (M&A, Kap. 9, S. 927 ff.) und Besonderheiten des Schweizer Rechts (Kap. 10, S. 959 ff.).
Besonders vorteilhaft für den Praktiker sind die zahlreichen Vertragsmuster in englischer Sprache (das Vertragsgrundmuster von Stief und Rüberg ist sogar zweisprachig, in Deutsch und Englisch, Kap. 0, S. 1 ff. und S. 34 ff.).
Für ein Vertragshandbuch selbstverständlich weist es zu den unterschiedlichen Themen eine Fülle von Regelungsvorschlägen auf, z. T. sogar mehrere zu einem Thema. Zum Beispiel gibt es zwei Regelungsvorschläge für ein „Quality Assurance Agreement“, QAA (Kap. 5 I, Annex 3, S. 624 ff., und Kap. 5 II, Annex 2, S. 659 ff.). Das hat den Vorteil, mit unterschiedlichen Autoren unterschiedliche Sichtweisen für dasselbe Thema zu erhalten, aber den Nachteil, dass man zu ein und demselben Thema an zwei Stellen suchen und nachlesen muss. Wer in der Eile vielleicht nur einen Vertragsentwurf findet (scil. den kürzeren auf S. 659 ff.), übersieht leicht regelungsbedürftige Punkte und die „Checkliste“ zur Verantwortungsabgrenzung, die „elementarer Teil“ eines jeden Quality-Assurance-Agreements ist (vgl. Backhaus/Bromm im Kap. 5 II Fn. 57, S. 669). Ein Beispiel für die Checkliste findet sich an anderer Stelle (Kap. 5 I, Appendix 2, S. 631 ff.). Ein Querverweis könnte die Lücke füllen.
Etwas versteckt finden sich Klauseln zur Wareneingangsprüfung im Formulierungsmuster für allgemeine Einkaufsbedingungen (Kap. 5 III 8, Fn. 34–36), wenngleich man solcher Art Klauseln häufig auch im QAA findet. Anhand des ausführlichen Sachregisters am Ende des Vertragshandbuches von Stief und Bromm lassen sich Formulierungsvorschläge und Kommentierungen jedoch leicht auffinden.
In den Entwürfen zum QAA ließen sich noch Vertragspflichten zur Verringerung von Fälschungsgefahren ergänzen, wie sie besonders durch die EU-Richtlinie 2011/62/EU vom 08.06.2011 (RL) begründet worden sind. Nach deren Inkrafttreten bestehen u. a. Prüfpflichten hinsichtlich der Anbringung, Entfernung bzw. Ersetzung von Sicherheitsmerkmalen. Verantwortlich dafür sind die Hersteller, die Großhändler, die Apotheker, die Personen, die zur Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit ermächtigt oder befugt sind, und die zuständigen Behörden (Art. 54a Abs. 2 lit. d) RL). Die Hersteller haften dafür verschuldensunabhängig nach der europäischen Produkthaftungsrichtlinie (85/374/EWG, Art. 47a Abs. 2 RL). Im Rahmen eines QAA lassen sich Haftungsgefahren jedoch insoweit auf die Lieferanten (kumulativ) übertragen, als das Risiko aus ihrer Sphäre stammt und sie dadurch den Regress ermöglichen.
Den fast drei Dutzend Autoren, die an der Erstellung dieses Werks mitwirkten – fast ausnahmslos Rechtsanwälte mit der nötigen praktischen Erfahrung – ist beachtliches und überaus hilfreiches gelungen: Wer mit dem Vertragshandbuch arbeitet, also nicht nur den erstbesten Entwurf zur Hand nimmt, sondern das breite Angebot an Formulierungsvorschlägen und Kommentierungen wahrnimmt und es nicht versäumt, sich einen Überblick zu einzelnen Klauseln anhand des Sachregisters zu verschaffen, erhält das notwendige „Handwerkszeug“, um einen Vertragsentwurf sachgerecht selbst zu gestalten. Auf diese Weise bekommt der Praktiker neben der Anleitung zur Vertragsgestaltung einen umfassenden Überblick zu den regelungsbedürftigen Gegenständen. Die Komplexität der Regelungsmaterie wäre ohne den Rückgriff auf die Fachliteratur sonst nicht beherrschbar. Indem das Vertragshandbuch Pharma und Life Sciences umfassend die Regelungsthemen durch Vertragsmuster und Kommentierungen abdeckt, wird es in der Praxis aller Rechtsgestalter auf diesem Gebiet höchstwillkommen und bald unverzichtbar sein.