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    Stabilere Grundversorgung mit Arzneimitteln

    Was die neue Regierung jetzt tun sollte!

    Statements der Verbände

    Bork Bretthauer · Geschäftsführer Pro Generika e. V.
    Bork Bretthauer

    Was war das für eine Zahl, die im Nov. vergangenen Jahres an die Öffentlichkeit gelangte und in 2 Ziffern verdeutlichte, was bei der Versorgung mit Generika so grundlegend schiefläuft! Weil die AOK offenbar versehentlich vertrauliche Dokumente eines Herstellers an die Konkurrenz verschickt hatte, war die Höhe der in Rabattverträgen gewährten Preisnachlässe auf Arzneimittel bekannt geworden: Ein Unternehmen hatte der Krankenkasse mehr als 99 % Preisnachlass geboten. Und das gleich auf mehrere Arzneimittel. Was Eingeweihten längst schmerzlich bewusst gewesen war, führte nun einer breiten Öffentlichkeit vor Augen, wie ruinös der Wettbewerb bei Generika geworden ist. Für einen halben Cent pro Tablette verkaufte – oder vielleicht besser: verschenkte – der Hersteller das Betäubungsmittel Buprenorphin, das bei der Behandlung von Tumoren eingesetzt wird. Wie verrückt muss dieser Hersteller sein, mögen viele spontan gedacht haben, als sie dies lasen. Dabei lautet die korrekte Frage eher: Wie verrückt ist dieses System?

    Das System des Kostendrucks ist politisch gewollt

    Längst ist bekannt, wie es um die Versorgungssicherheit in Deutschland bestellt ist. Die Pandemie hat einer breiten Öffentlichkeit vor Augen geführt, wie schnell Lieferketten unterbrochen sein können und wie stark unsere Abhängigkeit von Indien und China bei unserer Arzneimittelversorgung ist. Längst ist auch bekannt, was die Ursache der Engpässe ist – ist doch der Kostendruck auf Generika in den vergangenen Jahren derart gestiegen, dass sich die Produktion mehr und mehr nach Asien verlagert hat und Generika-Hersteller ihre Lieferketten letztlich nur noch auf maximale Effizienz trimmen mussten. All das ist nicht nur bekannt, es ist auch politisch so gewollt.

    Resilientere Lieferketten sind möglich, kosten aber Geld

    Wenn Krankenkassen wie die AOK jetzt resiliente Lieferketten als Ausschreibungskriterium fordern, ist das ein wichtiger Schritt nach vorn. Bedeutet es doch, dass offenbar auch die Kassenseite immer mehr erkennt, dass das bisherige Hauptsache-billig-Prinzip überhaupt erst zu den Problemen geführt hat, für die man nun nach Lösungen sucht. Schließlich war es bislang stets so, dass der höchste Rabatt – also der günstigste Preis – das allein ausschlaggebende Kriterium in den Ausschreibungen war und Hersteller somit ihre gesamte Lieferkette diesem Prinzip unterordnen mussten. Gleichzeit muss aber klar sein: Wirklich durchsetzbar wird die Forderung nach Kriterien zugunsten von mehr Liefersicherheit nur, wenn damit auch gemeint ist, dass die Hersteller ihre Bemühungen, die Lieferketten zu stabilisieren, auch honoriert bekommen. Und genau das ist bislang nicht der Fall. Derzeit sind Generika-Unternehmen gezwungen, alle Schritte, die für mehr Liefersicherheit sorgen würden, weitgehend wegzulassen. Eine zweite Wirkstoffquelle, Redundanzen in der Herstellung: Maßnahmen wie diese würden die Lieferketten stabilisieren und sind doch für die Hersteller nicht umsetzbar. Denn sie kosten Geld – und genau dieses Geld will ihnen das System derzeit nicht bezahlen.

    Der Ruf nach größeren Lagern ist nachvollziehbar und greift doch zu kurz

    Neben Redundanzen in der Lieferkette sind es auch größere Lager, die immer wieder als Lösung des Problems angeführt werden. Wenn die Hersteller sich mehr Fertigarzneimittel auf Lager legen würden, so die Hoffnung, könnte man Engpässe besser abfedern. Zugegeben, das klingt erst mal logisch – und doch würde es die Kosten für die Hersteller derart erhöhen, dass die Produktion für sie nicht mehr rentabel ist und sie sich über kurz oder lang aus der Versorgung zurückziehen müssten. Warum das so ist, liegt vor allem in der Tatsache begründet, dass das Haltbarkeitsdatum von Arzneimitteln abläuft.

    Wer Arzneimittellager anlegt, muss auch Vernichtungskosten einpreisen

    Zwar sind Arzneimittel theoretisch 24 Monate haltbar. Dennoch lassen sie sich aber nur für 9–14 Monate verkaufen. Gelingt es dem Hersteller nicht, sie innerhalb dieses kurzen Zeitfensters loszuwerden, müsste Ware massenhaft vernichtet werden – und das hat neben ökologischen und ethischen auch ökonomische Folgen für die Hersteller. Denn das Einpreisen von Entsorgungskosten und die Kompensation der Erlösausfälle für die vernichtete Ware sind bei den generikatypischen niedrigen Margen unmöglich. Hersteller würden sich bei vielen Arzneimitteln sehr genau überlegen müssen, ob sie sie noch kostendeckend produzieren können, und sich im Zweifel aus der Versorgung zurückziehen – mit fatalen Konsequenzen für alle Patienten, die die Arzneimittel dringend benötigen.

    Versorgungssicherheit ist eine politische Aufgabe

    Für die Versorgung mit Generika hat die Politik ein System geschaffen, das die Arzneimittelversorgung zwar günstig – nicht aber ausreichend stabil gemacht hat. Kein Marktteilnehmer allein kann an diesen Schrauben drehen. Das lässt das System des maximalen Kosten- und Effizienzdrucks nicht zu. Es ist deshalb jetzt an der Politik, das von ihr geschaffene System neu auszurichten und die gesetzlichen Rahmenbedingungen anzupassen. Indem sie abrückt vom obersten Dogma des Sparens, dessen Folge fragile Lieferketten und Lieferengpässe bei Arzneimitteln sind.

    Es ist Zeit, dass die Politik gesetzliche Rahmenbedingungen ändert. Sie muss für die Krankenkassen-Ausschreibungen verbindlich vorschreiben, dass mehrere Rabattvertragspartner den Zuschlag erhalten. Außerdem muss es in den Ausschreibungen endlich Kriterien geben, die dafür sorgen, dass die Lieferketten wieder stabiler werden. Und nur, wenn der Aufwand der Hersteller hierfür vom System auch bezahlt wird, können Hersteller das auch tun. Die neue Regierung muss – und das macht uns Indien derzeit schon vor – auch die Produktion wichtiger, vorher definierter Wirkstoffe in Europa unterstützen, wenn sie hierzulande kostendeckend nicht produziert werden können. Nur so werden wir unabhängiger von der Einfuhr aus Asien. Und sorgen bestmöglich für die nächste Krise vor, die noch viel größere Erschütterungen der Lieferketten parat halten kann als diese.

    Bei den Biosimilars sollte die Politik nicht denselben Fehler 2-mal machen

    Apropos nächste Krise. Während die Politik derzeit nach Lösungen sucht, die die Fehler im Generika-Markt wieder korrigieren und den Kostendruck lindern können, macht sie bei den Biosimilars – den Nachfolgepräparaten ehemals patentgeschützter Biopharmazeutika – denselben Fehler noch einmal. Denn die automatische Substitution, die im Sommer 2022 in Kraft tritt, bringt für die Krankenkassen die Möglichkeit mit sich, exklusive Rabattverträge abzuschließen. Hier wird also exakt dasselbe System eingeführt, das schon bei Generika zu den hinreichend bekannten Konsequenzen geführt hat.

    Die automatische Substitution ist so gefährlich wie überflüssig

    Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass es die automatische Substitution als politischen Eingriff gar nicht mehr braucht. Das System der Biosimilars funktioniert auch so und bringt massive Einsparungen mit sich. Denn: Bereits jetzt sind 85 % der Biosimilars unter Rabattvertrag. Schon jetzt liegt bei Wirkstoffen, für die es ein Biosimilar gibt, der durchschnittliche Versorgungsanteil bei 57,8 %. Schon jetzt haben die Biosimilars in den letzten 10 Jahren insgesamt 3,3 Mrd. Euro eingespart – davon rund 700 Mio. Euro allein im ersten Halbjahr 2021.

    Wer hier noch mehr einsparen will, tut dies mit dem Generika-Beispiel vor Augen. Er bringt zugunsten des altbekannten Spar-Dogmas ein funktionierendes System durcheinander und riskiert – sehenden Auges – die Versorgungssicherheit bei den Biosimilars, die nicht zuletzt einen starken Produktionsstandort in Europa zur Voraussetzungen hat. Die Politik sollte deshalb die automatische Substitution noch einmal auf den Prüfstand stellen. Sie sollte begreifen, dass dieser Schritt bei den Biopharmazeutika dieselben Effekte haben wird wie bei Generika. Sie sollte sich endlich verantwortlich fühlen und ein System ändern, das sie selbst geschaffen hat. Und sie sollte begreifen, dass ein Fehler nicht dadurch beseitigt wird, dass man ihn zum zweiten Mal macht. Möge die neue Regierung endlich die Fehlentwicklungen korrigieren, die die alte – wenn überhaupt nur verhalten und denkbar spät – eingestanden hat.

    Originaldokument