Statements der Verbände
Dr. Jan Oliver Huber |
Davon zu sprechen, dass ein ereignisreiches Jahr zu Ende ginge, wäre nur die halbe Wahrheit. Denn aufgrund der neuen Regierungskonstellation in Österreich ziehen sich die Ereignisse über den Jahreswechsel ungehindert fort. Daher: Ereignisreich ist und war nicht nur das vergangene Jahr, sondern ereignisreich ist schlichtweg die Zeit.
Mit jedem Neubeginn sind immer auch große Erwartungen verbunden. So auch in unserem Fall: Wir setzen Erwartungen in die neue Regierung, dass sie die Wirtschaft und die Industrie stärken möge. Gerade unsere Branche hat in den vergangenen Jahren mit zunehmend schwieriger werdenden Rahmenbedingungen zu kämpfen. Arzneimittelpreise stehen global in der Kritik, wobei der Blick hier selten faktenbasiert ist. Viel leichter ist es nämlich, Kritik an einer ohnehin bereits höchst ambivalent beäugten Branche zu üben, als sich um notwendige aber komplexe Baustellen zu kümmern, wie etwa die föderal zersplitterte Struktur und Finanzierung des österreichischen Gesundheitswesens, die für viele Ineffizienzen verantwortlich sind.
Die beste aller Branchen
Es nützt nichts, die Situation schönzureden: Die pharmazeutische Branche ist mit einem hartnäckigen Misstrauen konfrontiert. Dabei bin ich davon überzeugt, dass unsere Branche eine der besten überhaupt ist. Denn welcher andere Industriezweig trägt so viel zum Wohlergehen der Menschen bei? Wer heilt Patienten von ihrer Krankheit? Wer steigert im Krankheitsfall ihre Lebensqualität? Wer sorgt dafür, dass trotz schwerer Krankheit ein Leben lebenswert bleibt? Das macht die pharmazeutische Industrie dank ihrer leistungsstarken Produkte. Natürlich sind wir nicht alleine dafür verantwortlich und sehen es gleichzeitig als unsere Aufgabe, dank einer guten Zusammenarbeit mit unseren Systempartnern dafür Sorge zu tragen, den Menschen eine qualitativ hochwertige Versorgung angedeihen zu lassen.
Streitfall Arzneimittelpreise
Das wird uns nur nicht gerade leicht gemacht. So haben die pharmazeutischen Unternehmen in Österreich aufgrund neuer Preisgesetze, die im Frühjahr 2017 im Parlament beschlossen wurden, mit noch mehr Schwierigkeiten zu kämpfen.
Wir haben im Zuge dieser Gesetzesänderung davor gewarnt, dass diese eine Preisspirale nach unten in Gang setzen und die Versorgung der heimischen Patienten mit bewährten und innovativen Therapien gleichermaßen gefährden könnte. Mittlerweile befinden sich bereits 28 % der im frei verschreibbaren Bereich des Erstattungskodex gelisteten Produkte unterhalb der Rezeptgebührengrenze! Das im Zuge der gesetzlichen Maßnahmen neu geschaffene „Preisband“ wird dazu führen, dass dieser Anteil an Arzneimitteln, die billiger sind als die Rezeptgebühr, weiter steigt, wodurch die Patienten immer mehr Arzneimittel letztlich selbst bezahlen. Gleichzeitig erschallt beständig die Mär von einer Kostenexplosion im Arzneimittelsektor. Die Situation ist paradox, doch nur scheinbar. Denn würde man einen realistischen Blick auf die Arzneimittelausgaben wahren, würden die Zahler und die Politik rasch erkennen, dass es ganz andere Bereiche sind, die die Gesundheitsausgaben über Gebühr strapazieren.
Dazu gehört allen voran der überbordende Spitalssektor, der in Österreich ein wahres Politikum ist. Für Landeshauptleute ist ein Krankenhaus ein Prestigeprojekt. Wien leistet sich z. B. ein gänzlich neues mit dem Krankenhaus Nord. Ein Milliardenprojekt, das 2016 hätte in Betrieb gehen sollen und mit dessen Fertigstellung nun 2019 gerechnet wird. Ein Milliardenprojekt, das die über 14 Mrd. Euro, die der Krankenhaussektor jährlich verschlingt, noch erhöhen wird.
Reformen endlich umsetzen
Bei all diesen Entwicklungen stellt sich die Frage, wie zukunftsorientiert die heimische Politik ist. Es ist zu hoffen, dass die neue Regierung hier einen kritischeren Blick hat. Zeichen in diese Richtung werden jedenfalls gesetzt, immerhin möchte man die Reform der Sozialversicherung nun tatsächlich angehen.
Nach vielen Studien und zig Tausend Euro steht fest: Die Krankenkassenstruktur wird nun tatsächlich umgebaut. Zuerst empfahlen die Industriellenvereinigung und die Wirtschaftskammer, belegt mit eigenen Studien, eine Änderung der Struktur. Dann gab auch der Bund eine Studie in Auftrag – für wohlfeile 630 000 Euro –, die schließlich 4 gangbare Modelle aufzeigt hat, wie Österreichs Sozialversicherungswesen zukunftsträchtig gestaltet werden könnte.
Was machte die Politik daraus? Sie ging zunächst den Weg des geringsten Widerstands und ließ die Strukturen unangetastet. Immerhin, eine Leistungsharmonisierung wurde endlich in Gang gesetzt, denn schon lange ist unverständlich, weshalb Österreicher, die dieselben Versicherungsbeiträge leisten, jeweils andere Leistungen erstattet bekommen – je nachdem, in welchem Bundesland sie leben und bei welcher Krankenkasse sie versichert sind.
Doch nun soll, so verlautet es jedenfalls, tatsächlich radikal umgebaut werden. Es bleibt zu hoffen, dass dies auf eine sinnvolle Art und Weise geschieht, um tatsächlich auch die notwendigen Einsparungen zu generieren und die Effizienz zu erhöhen.
Krankenkassen unterstützen
Seitens der pharmazeutischen Industrie wird jedenfalls ein wesentlicher Beitrag dazu geleistet, dass die Krankenkassen leistungsfähig bleiben – insbesondere ihren Patienten gegenüber. Die pharmazeutischen Unternehmen zahlten im Zuge des Rahmen-Pharmavertrags allein im vergangenen Jahr einen Solidarbeitrag von insgesamt 125 Mio. Euro. Auf diese Weise flossen seit 2008 bislang insgesamt schon knapp 300 Mio. Euro den Krankenkassen zu. Keine andere Branche leistet derartige Unterstützungszahlungen.
Den Standort stärken
Zudem gab es auch bedeutende Investitionen in den Standort seitens einzelner Pharmaunternehmen. Sie bauen ihre Produktionsstätten aus oder bereichern den Standort mit neuen Forschungseinrichtungen. Auch auf diese Weise fließen Millionenbeträge und zwar direkt in die heimische Wirtschaft.
Wir wissen, dass Österreich kaum über bedeutende Bodenschätze verfügt. Womit wir punkten können ist Know-how. In Zeiten, in denen Produktionsstätten in Billiglohnländer abwandern und Regionen wie China, Singapur und die USA erkennen, wie wichtig die Stärkung der Forschung – und auch der Pharmaforschung – ist, sollte Österreichs Politik alles daran setzen, dass wir nicht den Anschluss verlieren und nicht bald schon ein Europa sind, das einem „Old Europe“ alle Ehre macht.
Wir brauchen klinische Forschung. Sie ist unerlässlich, um weiter neue und innovative Therapien für Patienten zur Verfügung stellen zu können. Es ist uns nicht egal, wo diese klinische Forschung stattfindet. Die letztes Jahr beschlossene und ab 2018 gültige Anhebung der Forschungsprämie von 12 auf 14 % ist ein wichtiger erster Schritt, der nach einem weiteren Ausbau auf 15 % in 2019 verlangt. Zudem brauchen wir klare, für alle Unternehmen und Institutionen gleichermaßen verbindliche Förderrichtlinien.
Wir haben großartige Forscher, die über die Landesgrenzen hinaus bekannt sind und oftmals das Schicksal so vieler großer Österreicher teilen: Der Prophet gilt nichts im eigenen Land – weil ihn heimische Kleingeister ablehnen, anstatt stolz darauf zu sein, dass Expertenwissen aus Österreich geschätzt wird.
Impulse für Österreich
Abgesehen davon, dass wir nach einer Förderung der Forschung verlangen, haben wir eine Reihe anderer Handlungsfelder definiert, in denen es gilt, Impulse zu setzen. Wir werden auch im kommenden Jahr intensive Gespräche mit der Politik führen, damit wir Österreich gemeinsam stärken. Wien zählt zu den lebenswertesten Städten der Welt. Es wäre es wert, ganz Österreich in diesem Sinne gleichzeitig als eines der „unternehmenswertesten“ Länder zu etablieren.
Ich bleibe dabei und bekräftige für das erst kurze Jahr 2018: Die pharmazeutische Industrie kann und möchte mit ihrer wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Innovationskraft einen wesentlichen Beitrag für eine sichere, stabile und mutige Zukunft unseres Landes leisten.