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    Keine Garantie für gute Rahmenbedingungen

    Statements der Verbände

    Thomas B. Cueni · Generalsekretär Interpharma, Verband der forschenden pharmazeutischen Firmen der Schweiz
    Thomas B. Cueni

    Die Schweizer Pharmaindustrie ist international bedeutend. Davon profitiert die nationale Wirtschaft. In jüngster Zeit hat es allerdings Kritik an einer Verschlechterung der Rahmenbedingungen in der Schweiz gegeben. Der Schweizer Bundesrat hat deshalb im Auftrag des Parlaments einen Masterplan für die „Revitalisierung der Schweiz als Forschungs- und Pharmastandort“ in Arbeit genommen.

    Novartis und Roche sind klingende Namen in der globalen Pharmaindustrie. Zusammen mit weniger großen Schweizer und vielen ausländischen, in der Schweiz forschenden Unternehmen ergibt sich ein für die Branche weltweit einzigartiges Cluster. Die vorteilhafte Situation ist das Ergebnis einer langen Tradition der chemischen Industrie in der Schweiz – insbesondere in Basel – einerseits und von vorteilhaften Rahmenbedingungen anderseits. Zu letzteren zählen die stabilen wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse, die gut ausgebildeten Arbeitskräfte, die Verfügbarkeit von Spitzentechnologie, die hohe Qualität der Grundlagenforschung und Hochschulen sowie das Bekenntnis zu Innovation und Qualität.

    Bricht man diese Anforderungen auf die Schweiz herunter, resultieren heute Defizite in den Anreizstrukturen. So ist das Umfeld für klinische Entwicklung längst nicht mehr optimal, was im Übrigen auch für die Europäische Union gilt. Die Verfahren für die Bewilligung klinischer Versuche sind umständlich und langwierig, bei ordentlichen Zulassungsverfahren hinkt die Schweiz in fast der Hälfte der Fälle der FDA und/oder EMA hinterher, und namentlich die Verfahren für die Erstattung neuer Arzneimittel dauern viel zu lange. Obwohl Schweizer Hochschulen wie ETH und Uni Zürich und ETH Lausanne in internationalen Rankings im Bereich der Life Science top sind, ist der Stellenwert der Forschung in der medizinischen Ausbildung gering. Das ist lange ignoriert worden, doch Alarmrufe seitens klinischer Forscher sowie der pharmazeutischen Industrie führten zu einer erschreckenden Erkenntnis: Die Zahl der klinischen Studien hat in den letzten acht Jahren um mehr als 40 % abgenommen, und eine Trendumkehr ist noch nicht in Sicht.

    Schwierigkeiten bereitet dem Forschungsstandort Schweiz auch der starke Franken, verteuert er doch die Aufwendungen – also auch diejenigen für Forschung und Entwicklung – der global tätigen Pharmaindustrie in der Schweiz erheblich. In der Schweiz erzielen die forschenden Firmen 1 bis 2 % ihres Umsatzes, jedoch fallen hier 10 bis 15 % ihrer globalen Kosten an. Im Vergleich zum Euroraum haben sich zudem die relativen Lohnkosten in der Schweiz in den letzten drei Jahren um knapp 20 % erhöht. Der starke Franken trifft die Pharmaindustrie mehr als die andern Exportbranchen, weil die Medikamentenpreise in praktisch allen europäischen Ländern staatlich reguliert sind und die Unternehmen nicht mit Preiserhöhungen auf die Währungssituation reagieren können. Hinzu kommen die Wirkungen der Eurozonenkrise mit drastischen Sparmaßnahmen in Ländern wie Griechenland, Portugal oder Spanien.

    Aufgerüttelte Parlamentarier

    Besorgt um die schrittweise Verschlechterung der Rahmenbedingungen und die fehlenden oder ungenügenden Anreize haben mehrere Parlamentarier in Vorstößen einen Masterplan für eine „Revitalisierung der Schweiz als Forschungs- und Pharmastandort“ lanciert. Im Bewusstsein, dass die Schweiz nicht unbedingt nachgelassen, andere Standorte aber aufgeholt haben, möchten sie die Standortattraktivität verbessern. Dieser Wille ist Ausdruck der Bedeutung, welche die Pharmaindustrie für die schweizerische Volkswirtschaft hat. Sie steuert mehr als 30 % zu den Schweizer Ausfuhren bei und ist damit die wichtigste Exportbranche. Ihre Wertschöpfung pro Arbeitsplatz liegt bei über 500 000 Franken und ist damit mehr als viermal so hoch wie der Durchschnitt der Schweizer Wirtschaft und rund doppelt so hoch wie bei den Banken. Nicht zuletzt dank hoch innovativen Branchen wie der Pharmaindustrie hat die Schweiz im Global Competitiveness Report 2001–2011 des World Economic Forum (WEF) Rang 1 belegt. Die pharmazeutischen Firmen investieren in der Schweiz alleine jährlich 6,5 Mrd. Franken in Forschung und Entwicklung. Das sind 40 % aller Ausgaben für Forschung und Entwicklung (Privatwirtschaft und öffentliche Hand) in der Schweiz.

    Ein Masterplan für bessere Perspektiven

    Die Vorstöße für einen Masterplan haben im Parlament zu einem verbindlichen Auftrag an die Schweizer Regierung geführt. Unter der Federführung des Gesundheitsministeriums und unter Einbezug der Staatssekretariate für Wirtschaft sowie Bildung und Forschung haben bereits zwei Rundtisch-Treffen mit den interessierten Kreisen stattgefunden. Beteiligt sind unter anderem Vertretungen der forschenden pharmazeutischen Industrie, der Akademien der Wissenschaften wie der Hochschulen. Ziel ist ein umfassendes Maßnahmenpaket, welches die durchaus noch solide Stellung der Schweiz als Standort für Forschung und Pharmaindustrie stärken und revitalisieren soll, konkret um die heute führende Position als weltweiter Pharmastandort zu halten. Es herrscht bereits ein breiter Konsens auf politischer wie gesellschaftlicher Ebene, dass beispielsweise alle bürokratischen Verfahren effizienter, d. h. rascher gestaltet werden sollen. So ist beispielsweise im Rahmen des Gesetzes über die Forschung am Menschen eine Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren für klinische Forschung geplant, wo die Schweiz heute an einem Übermaß an Föderalismus leidet, weil Studiendesigns von ethischen Kommissionen in mehreren Kantonen begutachtet werden.

    Die Schweizer Zulassungsbehörde, Swissmedic, die bereits heute 95 % der beschleunigten („fast track“) Zulassungsverfahren innerhalb der Frist von 140 Tagen behandelt, hat sich auch mit der Verbesserung ordentlicher Zulassungsverfahren ein ehrgeiziges Programm gesetzt. Bis Ende 2014 sollen auch reguläre Zulassungen zu 99 % innerhalb der vorgesehenen Frist von maximal 330 Tagen erteilt werden, und als Pilot ist eine Effizienzsteigerung bei Verfahren mit Voranmeldung vorgesehen. Die Forderung der Industrie, dass die Erstattung kassenpflichtiger Arzneimittel auf der Positivliste innert maximal 60 Tagen nach Zulassung erfolgt, wird auch vom Dachverband der Schweizer Krankenversicherer unterstützt. Mit diesem „Trimm Dich“-Programm hofft man, die Attraktivität der Schweiz für klinische Forschung zu verbessern, denn die Zeit von der Entwicklung eines Medikaments bis zu dessen Vermarktung und Vergütung durch die obligatorische Krankenversicherung ist ein kritischer Erfolgsfaktor.

    Weitere Elemente im Masterplan, der im ersten Halbjahr 2013 vorgelegt werden soll, betreffen Anstrengungen im Bereich der klinischen Forschung. Themen, die dabei angesprochen werden, reichen von der Ausbildung zum klinischen Forscher über die staatliche Forschungsfinanzierung, die Schaffung von Exzellenzzentren an Universitätsspitälern bis zu „public private partnerships“. Anreize, beispielsweise im Bereich des geistigen Eigentums, dürften ein Thema in der laufenden Revision des Heilmittelgesetzes sein.

    Nicht zu unterschätzen, aber nicht spezifisch ein Thema der Schweiz als Pharmastandort, ist das berechenbare und stabile wirtschaftspolitische Umfeld mit einer Fiskal- und Finanzpolitik, welche Teilen der Schweizer Wirtschaft zwar durch den starken Franken durchaus Probleme gebracht hat. Letztlich ist diese fast schon langweilige Stabilität der Schweiz aber mit ein Grund dafür, dass die Chancen für die Wahrung eines starken Platzes in den internationalen Rankings der Wettbewerbsfähigkeit intakt sind.

    Originaldokument