Statements der Verbände
Dr. Axel Müller |
2016 haben sich die Fronten zwischen den Befürwortern von Festbeträgen und deren Gegnern weiter verhärtet. Der sog. Preisüberwacher – eine antiquierte Institution, die sich mit reinen Preis- statt den üblichen Preis-Leistungsvergleichen wiederholt selbst diskreditiert und von immer mehr Unternehmen dafür heftig kritisiert wird – und die Schweizer Krankenversicherer fordern vom Bundesrat immer lauter ein verstärktes Tempo bei der Einführung eines Festbetragssystems mit dem Argument, Generika wären hierzulande im internationalen Vergleich viel zu teuer. Bei Intergenerika halten wir mit unserer Argumentation unvermindert hart dagegen und können uns dabei der breiten Unterstützung zahlreicher Verbände und Vertretungen der wichtigsten Interessensgruppen – von Ärzten, Apothekern über Patienten bis hin zu Spitälern – sicher sein. Wir werden dabei nicht müde, den Auslandspreisvergleich, bei dem Äpfel mit Birnen verglichen werden, als unsinnig und fahrlässig zu kritisieren. Während bei patentfreien Originalpräparaten korrekt Gleiches mit Gleichem verglichen wird, enthält der Vergleich der Generika eine unzulässige Vereinfachung. Statt identischer Arzneimittel werden hier unterschiedliche Produkte nur aufgrund der Wirkstoffmenge verglichen. Trotz dieser eklatanten Fehldarstellung findet das Generika-Bashing in den Medien nach wie vor eine große Resonanz. Es droht die Gefahr, dass der Bundesrat im Verlauf des Jahres 2019 das bewährte System des differenzierten Selbstbehalts bei Medikamenten, bei dem der Patient im sozial vertretbaren Maße zur Kasse gebeten wird, zugunsten eines Festbetragssystems fallen lassen wird. Dies hätte massive Folgen für die Schweiz.
Sonderfall Schweiz
In diesem Billigstsystem müssten Patienten immer nur das billigste Medikament verschrieben bekommen. Patienten, Ärzte und Apotheker wären der Wahlfreiheit beraubt. Der „Monsieur Prix“ hat ja recht – die Preise der Generika sind höher als im Ausland. Doch was der monothematische Preisüberwacher verschweigt – der Schweizer Patient bekommt sehr viel Qualität für sein Geld. Im internationalen Vergleich rechtfertigen die patentfreien Qualitätsarzneimittel in der Schweiz einen höheren Preis durch eine Reihe von Zusatzmerkmalen, die für den therapeutischen Erfolg und die Versorgungsqualität von maßgeblicher Bedeutung sind, wie z. B. eine patientenfreundlichere Darreichungsform. Was in den Preisattacken gegen Generika unerwähnt bleibt: Pharma- und Generikaunternehmen sind keine altruistischen Organisationen und müssen im internationalen Wettbewerb bestehen können, Löhne von Mitarbeitern – von der Entwicklung bis zum Vertrieb – bezahlen. Darüber hinaus müssen Grossisten, Ärzte und Apotheker verdienen. Und es ist nichts Neues: Die Löhne in der Schweiz zählen im internationalen Vergleich zu den höchsten. Die logische Folge: Generika sind in der Schweiz teurer als im Ausland. Das sind aber auch Autos und Möbel und vieles mehr. Zu höheren Kosten trägt zudem das aufwendige Zulassungsverfahren durch die Zulassungsbehörde swissmedic bei, welches selbst im Ausland schon bewährte Medikamente hierzulande nochmals durchlaufen müssen. So muten z. B. die Zulassungsanforderungen der swissmedic für orale inhalative Präparate (OIP) mit bekannten Wirkstoffen, die in der Behandlung von Bronchialasthma und chronischen Erkrankungen der Lunge (COPD) eingesetzt werden und vereinfacht als „Asthma-Generika“ bezeichnet werden, besonders befremdlich an. Warum – und darauf kann swissmedic keine plausible Erklärung geben – werden die „Asthma-Generika“ vom Schweizer Markt ausgeschlossen, obwohl sich diese in Nachbarländern seit Jahren als wirksam und gut verträglich erwiesen haben? Die „Asthma-Generika“ sind leider kein Einzelfall: Durch eine generell starre und wenig kooperative Haltung verhindert die Zulassungsbehörde die Realisierung großer Einsparpotenziale. Darüber hinaus sind die zu produzierenden Mengen deutlich geringer als im Ausland, was ebenfalls zu hören Preisen führt.
Versorgungssicherheit gefährdet
Bei alldem öffnet sich bei den Medikamenten die Preisschere immer weiter – während bei günstigen Generika die Preise zurückgehen, steigen sie bei den neuen teuren Originalpräparaten deutlich an. Bei Generikapreisen, die z. T. unter den Herstellungskosten liegen, sinkt zwangsläufig die Attraktivität für die Hersteller. So entsteht schon heute die besorgniserregende Situation, dass lebensnotwendige Medikamente wie Antibiotika z. T. nicht verfügbar sind und Ärzte nicht selten händeringend nach Ersatz aus dem Ausland suchen.
Falsche Sündenböcke
Angesichts Jahr für Jahr ansteigender Krankenkassenbeiträgen sind die Gesundheitskosten in der Schweiz zu Recht ein Dauerthema. Doch wie der Journalist Ralph Pöhner in einem Beitrag vom November 2016 dargelegt hat, werden mit Generika immer wieder die Falschen als die Schuldigen ausgemacht. Herr Pöhner rechnet vor, dass bei Gesundheitsausgaben von total 75 Mrd. Franken lediglich 0,63 Mrd. auf Generika fallen. Die Reduktion der Gesundheitsausgaben, wenn Schweizer Generika-Preise auf das vom Preisüberwacher genannte Vergleichsniveau sänken, läge lediglich bei 0,42 %.
Gezielte Generika-Förderung als Lösung
Was auch von den Festbetrag-Befürwortern tunlichst verschwiegen wird: Durch Generika bewirkte jährliche direkte und indirekte Einsparungen belaufen sich schon heute auf über 1 Mrd. Franken. Zusätzliches Potenzial in Höhe von weiteren 300 Mio. Franken könnte so ausgenutzt werden. Statt Generika permanent in Grund und Boden zu reden, sollten besser umfassende Maßnahmen zu deren Förderung ergriffen werden – von der Schulung über nachfragebezogene Maßnahmen bis hin zu Informationskampagnen. Ein weiterer Grund, weshalb der Generika-Markt noch nicht ausreichend entwickelt ist, ist zu einem großen Anteil auf das Fehlen von Anreizen für Ärzte und Apotheker bei der Verschreibung zurückzuführen. Gerade für einen selbstdispensierenden Arzt oder Apotheker sind Generika wegen der tieferen Margen wenig attraktiv, zumal sie anders als in vielen europäischen Ländern nicht gezwungen sind, Generika zu verschreiben.
2019 hat der Bundesrat es in der Hand: entweder führt er ein Festbetragssystem für Generika ein, bei dem es nur Verlierer gibt, – oder er schafft faire Rahmenbedingungen, welche die patentfreien Qualitätsarzneimittel fördern und damit die Einsparpotenziale weiter auszuschöpfen helfen.