Genese, Umsetzung und Perspektiven einer Konzeption zur wettbewerblichen Gestaltung der Gesetzlichen Krankenversicherung
Buchbesprechungen
Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um eine Publikation mit 11 Beiträgen. Der Sammelband ist Bestandteil der Reihe „Gesundheitsmarkt in der Praxis“ des Verlags. Mehr als 20 Jahre nach Inkrafttreten des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) haben es sich 17 Gesundheitswissenschaftler und -praktiker unterschiedlicher Fachrichtungen zur Aufgabe gemacht, die damals eingeführten wettbewerbsorientierten Elemente einer ordnungspolitischen Analyse zu unterziehen.
Als Herausgeber fungieren vier ausgewiesene Fachleute der Materie: Dr. Dieter Cassel, Professor Emeritus für Wirtschaftspolitik und Gesundheitsökonomie an der Mercator School of Management der Universität Duisburg-Essen; Dr. Klaus Jacobs, Professor und Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) in Berlin; Dr. Christoph Vauth, Bereichsleiter „Versorgungsmanagement“ bei der hkk-Erste Gesundheit, Bremen; sowie Dr. Jürgen Zehrt, Professor für Wirtschaftswissenschaften (Gesundheitsökonomie) an der Wilhelm Löhe Hochschule in Fürth.
Zum Hintergrund der in diesem Buch kritisch behandelten Thematik: Im Oktober 1992 hatten sich während einer Klausurtagung in Lahnstein die Koalitionäre von CDU/CSU und FDP mit Vertretern der SPD-Fraktion auf Eckpunkte zu einem gemeinsamen Gesetzesentwurf verständigt, der schon im Folgejahr insgesamt 11,4 Mrd. DM Einsparungen bei den Gesundheitsausgaben erbringen sollte. Die parlamentarischen Beratungen standen unter enormem Zeitdruck, da das GSG noch vor Weihnachten 1992 verabschiedet werden musste – was auch am 18.12.1992 geschah.
Neben anderen hatte das Gesetz auch weit reichende Auswirkungen auf die Organisationsformen der Krankenkassen. Die Einführung eines so genannten Risikostrukturausgleiches zwischen den einzelnen Kassenarten zu Jahresbeginn 1994 sowie die freie Wahl für Arbeiter und Angestellte zu ihrer Pflichtversicherung ab Januar 1996 stellten Bahn brechende Weichenstellungen dar für den Wettbewerb der gesetzlichen Krankenkassen, etwa in der Beitragsgestaltung oder beim Versorgungsmanagement.
Schließlich kam selbst der Vertragswettbewerb auf dem Leistungsmarkt langsam in Gang, beispielsweise mit den Selektivverträgen als Kern einer „solidarischen Wettbewerbsordnung“. Üblicherweise ist Wettbewerb gerade nicht von Solidarität geprägt: Zwar laufen bei einem Rennen alle Sportler gemeinsam vom Startplatz los, aber sie kommen nicht Hand in Hand gemeinsam am Ziel an. Der Begriffsname sollte analog zur wirtschaftspolitischen Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft einen Ordnungsrahmen darstellen, welcher Solidarität und Wettbewerb bei der Weiterentwicklung der Gesetzlichen Krankenversicherung miteinander vereinbart.
Gleichwohl ist die Gesetzliche Krankenversicherung auch heute noch administrativ-korporatistisch geprägt. Sie ist Bestandteil eines Gesundheitssystems, welches im Spannungsfeld zwischen knappen Finanzmitteln und der Notwendigkeit einer hochwertigen Versorgung mit Gütern sowie Dienstleistungen steht und in dieser komplexen Umwelt immer wieder staatlichen Eingriffen ausgesetzt wird.
Im vorliegenden Buch werden von 17 Autoren die Grundprinzipien, Reformbaustellen und Perspektiven der wettbewerblichen Konzeption der Gesetzlichen Krankenversicherung auf den ordnungspolitischen Prüfstand gestellt. Der Leser, welcher sich die Mühe macht, die ihn interessierenden Artikel in Ruhe zu studieren, wird reich belohnt.
Das Buch enthält eine Vielzahl von aussagefähigen Schaubildern, Tabellen und Verweisen. Nüchterne Bestandsaufnahmen und Ausblicke auf mögliche Szenarien werden ergänzt durch Hinweise auf Gesetzestexte, Kommentare und sonstige Quellen. Man kann die einzelnen Aufsätze durchaus als Lektüre für die Zugfahrt empfehlen oder sich den einen oder anderen Artikel als abendliche Lektüre vornehmen.
Es wird zurückgeschaut, so im Kapitel „Meilensteine auf dem Weg zur Solidarischen Wettbewerbsordnung“, und in Teil II sowie III des Buches nach vorne geblickt auf die Weiterentwicklung des Versicherungs- und des Leistungsmarktes. Es gibt ausgesprochen anregende Artikel in diesem Sammelband. Er ist ein Angebot, sich mit aktuellen Aspekten der gesundheitsökonomischen und -politischen Debatte auseinanderzusetzen.
Das angefügte Stichwortverzeichnis – von „Analogpräparate“ bis „Zwangsschlichtungssystem“ – erleichtert dem selektiv vorgehenden Leser die Navigation durch die Aufsätze, deren Aussagen zum Nutzen des Lesers sowohl mittels Fußnoten als auch durch Literaturhinweise ergänzt werden. Ebenfalls informativ ist das Herausgeber- und Autorenverzeichnis am Ende des Buches.
Wer sich beruflich mit Gesundheitspolitik und Gesundheitsökonomie befasst, sollte dieses Buch in Griffweite haben. Insofern dürfte das Druckwerk seine Leserschaft in den entsprechenden Fakultäten, bei Entscheidungsträgern der gesetzlichen Krankenkassen sowie im politischen Raum finden. Der angegebene Buchpreis ist stattlich, aber die Publikation ist jeden Cent davon wert.