Rubrik: europharm
(Treffer aus pharmind, Nr. 4, Seite 687 (2011))
Ruppert T
Umsetzung der Anforderungen pädiatrischer Prüfkonzepte bei klinischen Studien mit Kindern in Deutschland
Praktische Erfahrungen der forschenden Pharma-Unternehmen mit der Umsetzung von PIP in klinische Studien mit Kindern – Anträge bei Ethik-Kommissionen und Bundesoberbehörden sowie Aspekte der Diagnostik und der Einwilligung
Dr. Thorsten Ruppert
vfa – Die forschenden Pharma-Unternehmen, Berlin
Die Erwartungshaltung auf allen Seiten war sehr groß, dass vier Jahre nach Inkrafttreten der EGVerordnung zu Kinderarzneimitteln (VO 1901/2006) wesentlich mehr klinische Prüfungen mit Kindern durchgeführt werden als in den Jahren davor. Diese hohe Erwartungshaltung hat sich bisher nicht erfüllt; die Zahl solcher Prüfungen stagniert auf dem bisherigen Niveau. Für diese Stagnation gibt es aber gute Gründe: So betrafen die ersten pädiatrischen Prüfkonzepte (Paediatric Investigation Plan, PIP) meist Produkte, die bereits weit fortgeschritten in der Entwicklungsphase (bei Erwachsenen) waren und für die Aufschübe für Kinderstudien (Deferrals) gewährt wurden, um nicht die Zulassung für Erwachsene zu verzögern. Hinzu kommt, dass die Etablierung des Ausschusses für Kinderarzneimittel (Paediatric Committee, PDCO) bei der EMA und des Verfahrens für die Beantragung, Bewertung und Genehmigung von PIP geraume Zeit gedauert hat, und auf Basis eines genehmigten PIP erst noch entsprechende klinische Prüfungen konzipiert, eingereicht und genehmigt sein müssen, bevor diese starten können. Dadurch kommen erste PIPs erst jetzt in ihre „aktive Kinderphase“, und deren Zahl sollte in den nächsten Jahren merklich zunehmen.
Obgleich bisher erst begrenzte Erfahrungen vorliegen, sind auf Basis der Rückmeldungen aus den vfa-Mitgliedsunternehmen doch erste Trends erkennbar. So haben die Erfahrungen von Sponsoren klinischer Studien, mit denen PIP in Deutschland umgesetzt wurden, spezifische Probleme gezeigt, von denen insbesondere die folgenden hervorzuheben sind:
• Anforderungen im Rahmen des Bewertungsverfahrens durch die Ethik-Kommissionen weichen von den Anforderungen des PDCO ab.
• Die Bundesoberbehörden diskutieren im Rahmen des Genehmigungsverfahrens Aspekte, die bereits im PDCO adressiert wurden.
• Durch die Vorgaben des PDCO müssen in einigen Fällen spezielle diagnostische Verfahren in den Studien verwendet werden, was in Deutschland spezifische Probleme bei der Genehmigung aufwirft.
• Aufklärung und Einwilligung können zu Problemen bei der Patientenrekrutierung führen.
Diese ersten Erfahrungen der vfa-Mitgliedsunternehmen zeigen, welche spezifischen Probleme am Standort Deutschland gegeben sind, die im Interesse der Patienten, denen die Teilnahme an solchen Studien Chancen bieten könnte, sowie im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit des Studienstandortes zeitnah und durch einen breiten Dialog angegangen werden müssen. Dies könnte u. a. durch die Klärung von vagen gesetzlichen Definitionen und durch eine durchgängige Harmonisierung der Anforderungen (vom PDCO über die Bundesoberbehörden bis zu den Ethik-Kommissionen und sonstigen Mitwirkenden) erreicht werden. Daneben müssen das Genehmigungsverfahren bei Begleitdiagnostik (Stichwort: Röntgen/Strahlenschutzverordnung) sachgerecht gestaltet und spezifische Aspekte der Einwilligung (beide Eltern – Scheidungskinder) adressiert werden.
Bei aller Kritik gilt es aber auch hervorzuheben, dass der Forschungsstandort Deutschland insgesamt im Hinblick auf die Durchführung klinischer Studien gut aufgestellt ist. Nicht ohne Grund ist Deutschland bei klinischen Prüfungen insgesamt (mit Erwachsenen und Kindern) sowohl bei der Zahl als auch bei den Prüfstätten der Studienstandort Nummer eins in Europa und hinter den USA die Nummer zwei weltweit.
© ECV- Editio
Cantor Verlag (Germany) 2011