Rubrik: Gesetz und Recht
(Treffer aus pharmind, Nr. 10, Seite 1051 (2002))
Sander A
Antikorruptionsgesetz und Drittmitteleinwerbung / Sander A
Antikorruptionsgesetz und Drittmitteleinwerbung
(BGH, Urteil vom 23. Mai 2002, Az.: 1 StR 372/01)
Zum Konflikt zwischen Drittmitteleinwerbung, die zu den
Dienstpflichten bestimmter Amtsträger gehört, und dem Straftatbestand
der Vorteilsannahme hat der erste Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH)
grundlegende Feststellungen getroffen. Danach soll für das Feld der
Wissenschaft und Forschung ein einschränkendes Verständnis des
Tatbestandes der Strafnorm gelten. Die aus systematischen Gründen
und im Interesse der Einheit der Rechtsordnung vorzunehmende Einschränkung
des Anwendungsbereichs setzt aber nicht nur voraus, daß Fördermittel
von Produktlieferanten eingeworben werden, die dem sachlichen Gehalt nach
Drittmittel sind und der Förderung von Forschung und Lehre dienen.
Erforderlich ist weiter im Interesse des Schutzgutes der Strafvorschrift
(Vertrauen in die Sachgerechtigkeit der Entscheidungen) die Offenlegung,
also die Anzeige der Mitteleinwerbung und ihre Genehmigung in dem hochschulrechtlich
dafür vorgesehenen Verfahren. Da dort, wo Produktlieferanten
Forschung und Lehre durch Zuwendungen fördern oft die Höhe der
Förderung auch von Umfang und Intensität der geschäftlichen
Beziehungen zum Zuwendungsempfänger abhängt, bis hin zu Umsatzorientierung
oder gar zur Umsatzabhängigkeit, kann sich für den Hochschullehrer,
der dienstlich zur Einwerbung solcher Mittel angehalten ist, ein Spannungsfeld
zum strafbewährten Verbot der Vorteilsannahme ergeben. Straftatbestand
und die hochschulrechtlich verankerte Aufgabe der Drittmitteleinwerbung
sind deshalb in einen Einklang zu bringen, der dem Gedanken der Rechtssicherheit
und dem Schutzgut der Strafvorschrift angemessen Rechnung trägt.
Der Wertungsgleichklang zwischen hochschulrechtlicher
Aufgabenstellung und der Strafvorschrift über die Vorteilsannahme
ist auf der Tatbestandsebene, nicht auf der Rechtfertigungsebene (Genehmigung)
zu suchen. Die Rechtfertigungsbestimmung greift nämlich nicht, wenn
die eingeworbenen Mittel gefordert worden sind. Deshalb sei bei der Auslegung
des vom Tatbestand geforderten Beziehungsverhältnisses zwischen Vorteil
und Diensthandlung zu berücksichtigen, daß dieses Beziehungsverhältnis
auch durch eine vom Dienstherrn an sich erwünschte und grundsätzlich
genehmigte Einwerbung von Drittmitteln beeinflußt und geprägt
wird. Im Vordergrund steht nach Maßgabe der spezifischen gesetzgeberischen
Wertung für diesen Bereich dann nicht, daß die Fördermittel
als Gegenleistung für eine Diensthandlung gewährt
werden, sondern daß sie zur Förderung von Forschung und Lehre
eingeworben, angenommen und eingesetzt werden. Allerdings erfordere dies,
daß das für die Einwerbung solcher Drittmittel hochschulrechtlich
vorgeschriebene Verfahren eingehalten und nicht umgangen wird. Es müssen
ein größtmögliches Maß an Durchschaubarkeit (Transparenz)
und die Gewährleistung der Kontrollmöglichkeiten sichergestellt
werden. Die Kontrolle wird durch Dokumentation und institutionelle Befassung
von Aufsichtsinstanzen, namentlich über Anzeige- und Genehmigungspflicht
erreicht.
Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie hat in Hinweisen zur
Zusammenarbeit zwischen pharmazeutischer Industrie und Ärzten
in medizinischen Einrichtungen*)die Einhaltung des Transparenzprinzips,
mithin eine verstärkte Involvierung der Leitungen der medizinischen
Einrichtungen empfohlen.
Das Urteil hat folgenden Wortlaut (Auszug):
*)Antikorruptionsgesetz - Zusammenarbeit zwischen
pharmazeutischer Industrie und Ärzten in medizinischen Einrichtungen,
A. Sander u. A. Epp, ECV · Editio Cantor Verlag, Aulendorf (2001).
© ECV- Editio Cantor Verlag
(Germany) 2002