Rubrik: Gesetz und Recht
(Treffer aus pharmind, Nr. 06, Seite 513 (1999))
Denninger E
Zur Zulässigkeit einer verwaltungsgerichtlichen Klage auf Erlaß eines Widerspruchsbescheides / Denninger E
Rechtsgutachten:
Untätigkeitsklage im Widerspruchsverfahren
Dr. Axel Sander, Geschäftsbereich Recht im Bundesverband
der Pharmazeutischen Industrie e.V., Karlstr. 21, D-60329 Frankfurt/Main
§ 27 AMG verleiht den Antragstellern
im Zulassungsverfahren einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Entscheidung
über den Zulassungsantrag nach einer Bearbeitungsfrist von 7 Monaten (BVerwG,
Beschluß vom 28. April 1992, Az.: BVerwG 3 C 55.90, abgedr. bei Sander,
§ 27 AMG/Nr. 7, Entscheidungsband zum Arzneimittelrechtskommentar Kohlhammer
Verlag; Denninger, ,,Rechtsstaat im [Antrags-]Stau, Pharm. Ind. 51, 249
ff.; 1989).
Wenn die Zulassung eines Arzneimittels versagt wird, legt § 75 VwGO für
die Entscheidung über den gegen den Versagungsbescheid eingelegten Widerspruch
eine angemessene Bearbeitungsfrist fest. Sie beträgt grundsätzlich 3 Monate,
sofern die Behörde nicht darlegen kann, daß ein zureichender Grund dafür
vorliegt, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden ist. Im Zulassungsverfahren
und im Widerspruchsverfahren wurde die ,,untätige Zulassungsbehörde auch
vom VG Berlin regelmäßig verurteilt, den klagenden pharmazeutischen Unternehmen
innerhalb einer Frist von 3 Monaten zu bescheiden. Diese Rechtsprechung
hat das Verwaltungsgericht in bezug auf Untätigkeit im Widerspruchsverfahren
seit Oktober 1998 aufgegeben (Urt. im schriftl. Verf. v. Okt. 1998, Az.:
VG 14A 474/97, rechtskräftig aufgrund Nichtzulassung der Berufung gern.
OVG Berlin, Beschluß vom 19. Januar 1999, Az.: OVG 5 N 48.98). Nunmehr
vertritt das Verwaltungsgericht die Auffassung, daß es grundsätzlich kein
einklagbares subjektives Recht auf Erlaß eines Wider-spruchsbescheides
gebe.
Im Auftrag des BPI hat Prof. Dr. Erhard Denninger (Universität Frankfurt)
mit dem nachstehend abgedruckten Rechtsgutachten ,,Zur Zulässigkeit einer
verwaltungsgerichtlichen Klage auf Erlaß eines Widerspruchsbeschei- des
zu der in Urteil und Rechtsprechung unterschiedlich beurteilten Frage
Stellung genommen. Nach Ansicht des Gutachters ist zu differenzieren zwischen
verwaltungsbehördlichen Entscheidungen mit und ohne Gestaltungsspielraum.
Letzterer kann nur von der Verwaltungsbehörde, nicht aber vom Gericht
ausgefüllt werden. Hierzu gehören Zulassungs- und Genehmigungsentscheidungen,
weshalb der Gutachter bei diesen eine einklagbare Sachentscheidung der
Behörde im Widerspruchsverfahren befürwortet. Diese sind meist mit Nebenbestimmungen
versehen. Sie stellen Ermessensentscheidungen dar, die einen gerichtlich
nur begrenzt überprüfbaren Entscheidungs-spielraum der Behörde eröffnen.
Dies ist bei der Entscheidung über den Antrag auf Zulassung eines Arzneimittels
regelmäßig der Fall.
Dem stellt der Gutachter die Fallkonstellation gegenüber, daß aufgrund
einer für den Kläger günstigen Ausgangsklage von vornherein nur eine bestimmte
Entscheidung der Verwaltung möglich ist. Dann habe das Gericht sofort
die Verpflichtung der Behörde auszusprechen, den beantragten Verwaltungsakt
vorzunehmen. Diese Differenzierung hat das VG Berlin in dem eingangs erwähnten
und im Anschluß an das Rechtsgutachten abgedruckten Urteil offensichtlich
übersehen. Es bleibt zu hoffen, daß es seinen Standpunkt korrigiert und
wieder zu der ursprünglichen Rechtsprechung zurückkehrt.
© ECV- Editio Cantor Verlag (Germany) 1999